Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Erster Band. Lehrjahre
Max Eyth

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

56.

Schubra, den 1. Februar 1864.

Ein Wort vom ägyptischen Küchenpersonal, zum Trost für deutsche Hausfrauen! Nachdem mein alter Koch genug Holz, Lichter, Kleidungsstücke und schließlich meine Uhr gestohlen hatte, glaubte er seine Pflicht erfüllt zu haben und verließ mich plötzlich. Einen neuen zu bekommen ist, solange die Nilreisenden schwärmen, überaus schwer. Man wendet sich an den »Schech der Köche« in Kairo, der die Verpflichtung hat, dem Bittsteller gegen ein gutes Backschisch behilflich zu sein. Er schickt zunächst den schlechtesten Kerl, den er zur Verfügung hat, und den man nach zwei Tagen zur Türe hinauswerfen muß. Worauf man dem Schech ein zweites Backschisch bezahlt und den Zweitschlechtesten erhält. Abermaliges Hinauswerfen. Abermaliges Backschisch, das den in moralischer und kochlicher Beziehung dritten Mann von hinten zum Vorschein bringt. So weit wäre ich jetzt mit Not und Mühe gelangt. Obgleich nun Nummer drei nichts weniger als ein Künstler in seinem Fach ist, werde ich ihn doch vermutlich behalten, da er mich durch Heiterkeit, womit er verbrannte Suppen auf den Tisch stellt oder Teller zerbricht, ergötzt. Nahezu eine Woche war ich ganz ohne Koch. Die Sorgen um das tägliche Brot wurden drückend.

Die Vergnügungen der Arbeit müssen hierzuland die fehlenden Genüsse des Lebens ersetzen. Vor einigen Tagen durfte ich wieder zehn neue Maschinen bestellen und werde somit im nächsten Sommer fünfundzwanzig Stück für Dampfkultur im Gang haben. Der Vizekönig, der auf meine Veranlassung vor einem Vierteljahr den ersten Pflug bekam, treibt's natürlich großartiger, ist aber im Augenblick in schweren Nöten, da bei ihm von Anfang an niemand die Sache in die Hand zu nehmen verstand und daher Leute und Maschinen in bodenloser Verwirrung fast untergehen. Vor einer Woche ist endlich ein Mann eingetroffen, der Geschick und Tatkraft zu haben scheint, den muselmännischen Augiasstall auszufegen. Auch ein Deutscher, den Fowler auf einer Ausstellung in Hamburg aufgelesen haben soll.

Wie mir mein neuer Herr Kollega, R. Toepffer aus Stettin, erzählt, ist man in England voll meines Ruhmes, was ich mich nicht enthalten kann, Euch mitzuteilen, selbst auf die Gefahr hin, als eitler Tropf zu erscheinen. Fowler hat infolge der ägyptischen Bestellungen seine Fabrik um das Dreifache vergrößert, und der Vizekönig, der nicht warten will, hat die Vergrößerung bezahlt. Was gegenwärtig besonders wirkt, ist, daß ich im barbarischen Ägypten der erste bin, der es fertig bringt, mit Erfolg bei Nacht zu pflügen. Dies geschieht seit vier Wochen in Schubra, um die Felder für die Aussaat der Baumwolle fertig zu bekommen. Im Mondschein und Fackelglanz sieht die Sache dämonisch aus. Nur schade, daß der Reiz der Romantik so bald verschwindet und schließlich nichts andres übrigbleibt als ein weiteres Stück rastloser, harter Arbeit.

Mit Halim-Pascha stehe ich fortwährend auf dem besten Fuß. Ich wundere mich oft, wo der Mann inmitten dieser trägen Umgebung seine Lust am Schaffen her hat. Wir haben hier eine landwirtschaftliche Maschinenwirtschaft ins Leben gerufen, wie sie meines Wissens nirgends sonst in der Welt existiert. Lachend, aber ernsthaft droht er mir für den nächsten Herbst mit den Katarakten, in deren Nähe er große Ländereien besitzt. Vorgestern sagte er: »Er habe im Sinn, von der türkischen Regierung die Konzession für etliche fünfzehntausend Hektar besten, aber völlig unkultivierten Bodens hinter Jaffa zu erbitten, die durch Dampf in einen Garten verwandelt werden könnten.« So hätte ich Aussicht, meine Maschinen ins Gelobte Land zu führen, ein Kapitel alttestamentlicher Poesie, wie sie nur das Leben unsrer Zeit zu dichten vermag!

Daß mir hierbei manchmal das Herz im Leibe hüpft, selbst wenn mein Mittagessen kalt ist oder mir die Hosen gestohlen werden, begreift Ihr wohl. Eine Reise hinauf an die Grenze Nubiens, oder hinab ans tote Meer – das ist's gerade, was ich brauche; denn ich weiß nun, wie das Delta aussieht. Dabei überall diese wunderbaren Gegensätze: die kühnen Werke der modernen Welt, die träumerischen Reste der begrabenen Jahrtausende! Ist's nicht hübscher, das alles, trotz seiner kleinen und oft recht großen Mühen und Nöten, zu durchleben, als zu Hause ein Buch darüber zu schreiben?


 << zurück weiter >>