Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Erster Band. Lehrjahre
Max Eyth

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26.

Leeds, den 11. Februar 1862.

Sie hat mein Blut tüchtig in Wallung gebracht, diese Seilträgerei, bis ich den Verlauf der Dinge mit Ruhe abwarten lernte. Der leitende Zeichner auf unserm Bureau und deshalb leider vorläufig nicht mein Freund, hat mich klugerweise derart mit Geschäften überhäuft, daß ich keinen Strich in der mir so wichtigen Sache machen konnte. Auf diese Weise hatte er für den Augenblick gesiegt. Nach vierzehn Tagen des Zuwartens, die mich halb wütend machten, sprach ich mit Mr. Fowler, der mir aber auch, mit großer Freundlichkeit, auseinandersetzte, daß gegenwärtig, wo so viel zu organisieren sei, wo der herannahende Frühling, die Ausstellung und so weiter alle Kräfte in Anspruch nehmen, neue Pläne notgedrungen zurückstehen müßten. Da ich nun keinen so harten Kopf habe, um durch jede Wand rennen zu können, so wurde ich melancholisch und wäre es noch, wenn sich nicht seit der Zeit wieder allerhand zu meiner Aufheiterung ereignet hätte.

Mit der Patentfrage steht es nämlich so: die ursprünglichen Patente für das Fowlersche Pflugsystem, zwölf bis fünfzehn an der Zahl, sind von Fowler, Greig, Burton und Head genommen, da nach englischem Gesetz ein Patent nur auf den Namen des wirklichen Erfinders gegeben wird. Head, ein früher mit Fowler arbeitender Ingenieur, ist seit etlichen Jahren von demselben getrennt in London. Dieser Herr ist nun der Erfinder von älteren selbsttätigen Seilträgern, die mißlangen. Seine Patentspezifikation lautet aber so, daß Head den Gedanken selbsttätiger Seilträger an sich, ganz abgesehen davon, wie man ihn ausführt, patentiert zu haben glaubt. Ist dies richtig, so ist er berechtigt, nicht nur mir jedes Patent zu verwehren, sondern selbst die Ausführung und den Verkauf meiner Erfindung zu unterdrücken. Das ist alles sehr wunderlich, aber es ist gesetzlich nicht umzustoßen. Head war nun hier und erklärte mir mit englischer Ruhe: »Sehen Sie, wenn Sie die Sache zuwege bringen, möchte ich gern einiges Geld damit verdienen. Es ist allerdings billig, daß Sie auch etwas davon haben. Ich will Ihnen die ersten zwanzig Pfund geben, die sie mir einbringt. Sind Sie zufrieden?« – Zufrieden war ich nicht, hoffe aber, daß Fowler mir zu meinem Recht verhelfen wird; dem Mann würde ich mein Seelenheil anvertrauen. Was die Verzögerung anbetrifft, so tröstete mich Burton, der Erfinder der Klappentrommel: Auch er habe drei volle Jahre gewartet, ehe man seine Erfindung ausgeführt habe, auf der heute das ganze Fowlersche Einmaschinensystem beruht. Solamen miseris!

Auch trösten mich manche Nebenwirkungen meiner Seilträger. Seitdem sie – noch nicht auf der Welt sind, werde ich herbeigezogen, so oft es etwas Neues zu konstruieren gibt. Das ist eigentlich alles, was ich brauche, um glücklich zu sein. Die jüngste dieser Aufgaben hat mich ein paar schlaflose Nächte gekostet; aber Mr. Fowler rief auch im ersten Eifer des Gefechts: »Das ist Gold wert!« Nun wird die Sache ausgeführt. Der erste Zeichner, mein Widersacher von Amts wegen, verspricht zwar in zwei Tagen eine zweite Lösung des Problems zu bringen, mit der er mich vermutlich aufs Haupt schlagen werde. Das wird sich ja zeigen!

Für meine technischen Freunde sei bemerkt, daß es sich hierbei um den Wickelapparat der horizontalen Seiltrommeln des Zweimaschinensystems handelte, der bis zur Gegenwart wesentlicher Teil dieser Gattung von Dampfpflügen geblieben ist, während die Seilträger, auf die ich zu jener Zeit so große Hoffnungen gesetzt hatte, nie von Bedeutung geworden sind.


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