Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Erster Band. Lehrjahre
Max Eyth

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110.

Neuyork, den 21. Juli 1867.

Die Sache macht Fortschritte! Am letzten Tage der Versuche von Honesdale kam de Mesnil in Neuyork an. Am folgenden Tag hatten die Kanalbehörden des Staats ihre Monatssitzung. Er und van Havre eilten daher nach Albany, um unser Konzessionsgesuch für den Eriekanal zur Entscheidung zu bringen. Der Tag war für jeden Unbeteiligten ein Lustspiel. Die Politik der Gegenpartei bestand darin, unsre Angelegenheit überhaupt gar nicht zur Beratung kommen zu lassen, van Havre, die Pfeife im Mund, belagerte daher während der Morgensitzung das Vorzimmer des Sitzungssaals und packte jedes der Mitglieder, das sich herauswagte, mit der nur ihm eignen derben Zutraulichkeit an, die übrigens dem Yankee zusagt, »Damn me, Sir, it´s a free country! Let's have a chance!« – oder: »Look here, Sir, if you don´t give us that concession, the State of New-York ought to be kicked out of the Union!« – Nachmittags, als mit jeder Minute die Wahrscheinlichkeit einer Entscheidung abnahm, ging van Havre ohne weiteres in den Sitzungssaal und fing an, trotz alles Widerspruchs des Vorsitzenden, so oft eine Pause eintrat, seine Angelegenheit vorzubringen. Unter allgemeinem Gelächter und Aufruhr wurde um fünf Uhr abends die Entschließung angenommen, die uns das Recht gibt, auf allen Kanälen des Staats Neuyork die nötigen Drahtseile zu legen und unser Schleppsystem entweder selbst oder durch Gesellschaften in Ausführung zu bringen. Leider muß dieser Beschluß von der Abgeordnetenkammer des Staats bestätigt werden. Was das noch kosten wird, weiß der Himmel.

de Mesnil hat während des Winters und Frühlings in Europa tüchtig vorgearbeitet und mittels des gesellschaftlichen Einflusses, der ihm in Belgien zu Gebot steht, dort seine erste Gesellschaft für die Einrichtung des Systems auf der Maas zustande gebracht.

Hier scheint es schwieriger zu sein, größere technische Unternehmungen einzuleiten, als man bei der sprichwörtlichen Unternehmungslust der Amerikaner glauben sollte. Der erste Gedanke eines Yankees, dem man vorschlägt, etwas dieser Art in die Hand zu nehmen, ist: wie er einen Engländer dran kriegen kann, ihm das nötige Geld zu leihen.

Doch genug von Geschäften! Ich fürchte, meine Briefe fangen an, amerikanisch zu schmecken. Alles Geldfragen, und »Erlisten, Erraffen« der einzige belebende Gedanke. Aber wenn ich auch mit den Wölfen heule, werde ich doch wohl nie lernen, ihr Geheul besonders angenehm zu finden.


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