Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Erster Band. Lehrjahre
Max Eyth

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

71.

Schubra, den 16. März 1865.

Ihr beklagt Euch über die trübe Stimmung meiner letzten Briefe. Was sie hervorrief, ist glücklicherweise heute vergessen: ein leeres Herz vielleicht; ein leerer Magen wahrscheinlicher; ein müde gehetzter Geist möglicherweise; ein müde gerittener Leib fast sicherlich. In einer Sinekure sitze ich nicht und habe härter zu arbeiten, mehr zu verantworten, als in Europa von einem Menschen verlangt wird. Dies liegt in den Verhältnissen. Der tröstliche Blick ins Große erstickt im unvermeidlichen Detailkram: eine Folge der unorganisierbaren Organisation aller orientalischen Wirtschaft. »Mit Pflichten streiten Pflichten!« sagt mir fast jede Stunde des Tags, besonders in dem Verhältnis zu den Leuten über, um und unter mir. Heute jammern meine Araber, daß sie zu schlecht bezahlt seien, und im nämlichen Augenblick schreibt mir die Verwaltung, daß ich unsinnig bezahle. Heute fangen meine Europäer an zu rebellieren, weil man verlangt, daß sie ihre vertragsmäßigen Arbeitsstunden einhalten; morgen kommt eine ganze Bande aus Oberägypten zurück, weil man sie wie die Hunde behandelt hat. Heute beklagt sich eine große Firma in England, daß ich ihre Vortrefflichkeit nicht gehörig beachte; morgen findet eine zweite, daß ich die erste zu sehr bevorzuge. Heute bietet mir ein Bankier, mit dem ich schand- und ehrenhalber keine Geschäfte machen kann, acht Prozent Provision; morgen will mir die Trading-Company ein einziges nicht bezahlen. Heute habe ich mit Mühe und Not vierzig oder sechzig Fellachin zu einer Arbeit zusammengetrommelt, und morgen, wenn sie anfangen sollen, treibt der Vizekönig die ganze Herde in seinen Stall. Kann man da immer lustig sein? Aber deshalb die Flinte ins Korn werfen? Nein! Solange meine Gesundheit standhält (und ich sehe so rot aus wie ein Feuerstehler), denke ich nicht daran. Ob ich freilich am Ufer des Nils meine Heimat finde, ist eine andre Frage. Ein Grab – das wäre ja möglich und kein allzu großes Unglück. Im Lande der Mumien schläft sich's nicht schlecht, seit undenklichen Zeiten!


 << zurück weiter >>