Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Erster Band. Lehrjahre
Max Eyth

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87.

Schubra, den 6. Februar 1866.

Extrapost! –

Um jedoch alle und jede romanhafte Spannung im Keim zu ersticken, sei ihr Inhalt vorausgeschickt: »Ich bleibe im Lande und nähre mich redlich!«

Vorgestern kam ein Brief von Robert Fowler, dem jetzigen Haupt des Hauses, der mir für die nächste Post einen ausführlicheren verspricht. Er habe Arbeit genug für mich und ein Dutzend meinesgleichen, ist der kurze Inhalt des kurzen Schreibens. Ich überlegte eine Viertelstunde, ob ich das längere abwarten solle. Doch meine eigne Unentschiedenheit wurde mir nachgerade unbehaglich. So griff ich denn nach dem Würfelbecher meines Schicksals, schüttelte ihn und warf. – Da lag die Entscheidung!

Ich spreche in Gleichnissen. In Wirklichkeit aber verhielt es sich kaum anders: ein Schütteln, eine Wallung, ein Gedanke entscheidet unser Wollen. Dann allerdings beginnt auch die äußere Welt mitzusprechen und macht ihre Striche durch unsre Rechnung.

Ich schrieb an Fowler, ich sei, wenn ich Ägypten verlasse, nach kurzen Ferien bereit, in irgendwelchen neuen Weltteil abzusegeln. Er will mir die Wahl lassen zwischen Mexiko, dem Mississippi und Ostindien. Herz, was willst du mehr! –

Nun aber erhob das alte Fatum des Morgenlandes seine Stimme, und es kam anders. Vor einer Stunde verließ ich Halim. Ich kann unser Gespräch fast wörtlich mitteilen, denn es war kurz, bündig und entscheidend:

Ich: Hoheit, ich bedaure lebhaft, daß Sie auf anderm Wege bereits von meiner Absicht gehört haben, Ägypten zu verlassen. Da mein Vertrag in zwei Monaten zu Ende geht, wird es an der Zeit sein, die nötigen Vorbereitungen zu treffen.

Halim: Ja, sagen Sie mir, was ist denn eigentlich der Grund? Ich verstehe dies nicht.

Ich: Teilweise sind es Gesundheitsrücksichten.

Halim: Ach, wenn das alles ist! Gehen Sie alle Jahre ein oder zwei Monate nach Europa – oder je das andre Jahr!

Ich: Wünschen Ew. Hoheit, daß ich hierbleibe?

Halim: Ich wünsche es lebhaft. Ich bin außerordentlich zufrieden. Mein Maschinenwesen – alles geht vortrefflich.

Ich (mit melancholischem Kopfschütteln): Ich weiß nicht, ich habe im Gegenteil den Mut so ziemlich verloren. Trotz aller –

Halim: Ah bah! So geht es jedermann in Ägypten! Sie gehen diesen Sommer nach Europa und nachher so oft Sie wollen, und wir machen einen neuen Vertrag mit den nötigen Änderungen. Wie viel wollen Sie?

Ich: Hoheit, ich habe daran wirklich nicht gedacht. Überdies sind im Augenblick die Aussichten des Landes nicht sehr günstig für einen derartigen Vorschlag meinerseits.

Halim: Ach, das hat hier nichts zu sagen! Wie viel wollen Sie?

Ich (abermaliges nachdenkliches Kopfschütteln): Es wäre mir angenehmer, wenn Ew. Hoheit einen Vorschlag machten.

Halim: Gut! Schreiben Sie unsern Vertrag selbst und lassen Sie die Ziffer des Gehalts aus. Ich will das ausfüllen.

Ich: Ich bin Ihnen sehr verbunden, Hoheit! –

Ein Kopfnicken; eine Verbeugung arabischen Stils und aus war die Audienz! Mit der Entscheidung aber ist mir der Mut wieder gekommen; ich habe meine Pflugschar mit einem frischen Anlauf in den alten Boden gestoßen und sehe ruhigen Blutes neue Pläne im Blühen, alte im Verdorren, und trotz allem und allem da und dort eine Frucht, gleich einer goldgelben Orange im grünen Gezweig.


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