Max Eyth
Im Strom unsrer Zeit. Erster Band. Lehrjahre
Max Eyth

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15.

London, den 2. Juli 1861.

Auch der überstürzteste Zusammenbruch braucht seine Zeit. Montag, nachmittag um vier Uhr, trat ich bei Elliot Brothers ein und fand Becker und Johnson mit feierlicher Miene im Allerheiligsten des Geschäftslokals sitzen. Johnson begann nun zu meinem alle Grenzen übersteigenden Erstaunen eine förmliche Anklage gegen mich zu begründen, die auf folgender Auffassung folgender Verbrechen beruhte. Ich hatte am Samstag, vormittags, Johnson mit meinen Vorschlägen für eine längere Anstellung die letzten Zeichnungen, die ich im Laufe der drei Wochen gemacht hatte, eingehändigt. In der Hoffnung, daß die Feststellung unsers Verhältnisses nun endlich stattfinden werde, hatte ich aber auch die Zeichnung einer von mir während der letzten Wochen erdachten selbsttätigen Wagenkupplung mitgebracht, dieselbe jedoch, als ich abermals auf den Abend vertröstet wurde, vorsichtigerweise wieder mitgenommen, um sie ihm nach Abschluß unsers Vertrags einzuhändigen. Da ich Johnson nicht näher kannte und durch sein Zögern mißtrauisch geworden war, schien mir dies nicht mehr als vernünftig zu sein.

Aber ich hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der gute alte Herr war durch dieses Mißtrauen dermaßen gekränkt, daß die unmittelbare Folge der Absagebrief war, den ich am Samstag abend erhalten hatte. Nun klagte er mich feierlich an, daß ich den Versuch mache, »auf eine unredliche Weise ihm das zu entziehen, was er als sein Eigentum ansehe; denn er habe sich nie geweigert, meine Zeit und Arbeit zu bezahlen!« Bezahlt hatte er allerdings auch noch nichts. Aber was half der Einwurf? Der Mann spielte den Gekränkten gut; vielleicht war es ihm wirklicher Ernst. Jedenfalls konnte er tun und lassen, was er wollte. So folgte ich Beckers Rat, der ihn als einen reichen Sonderling kannte, und beschloß, ihm die Kupplung zu überlassen, die im Augenblick für mich völlig wertlos ist.

Nach etlichen Zwischenfällen, gegenseitigem Verfehlen und dergleichen, die bei dem kritischen Stand der Dinge das Interesse hübsch wach erhielten, fand ich ihn gestern abend im Great-Western-Hotel und kramte sieben Kupplungen vor ihm aus. Der Gedanke hatte nämlich sieben Wandlungen durchgemacht, bis die letzte endlich meinen Ansprüchen und, wie ich hoffe, denen der Praxis entsprach. Auch mein wunderlicher Gönner schien erfreut. Gegen meine Rechnung hatte er nichts einzuwenden. Elliot Brothers werden auf seine Kosten ein Modell der Idee ausführen, die – wofür ich Johnson dankbar bin – unter meinem Namen weiterleben soll; – mein erstes Werk in England.

Nachschrift.

Ende gut, alles gut! Soeben habe ich mein Geld bei Johnsons Bankier geholt. Ein behagliches Gefühl! Und wie einfach das geht! Die Johnsoniade hat meinen bisherigen Londoner Aufenthalt gerade gedeckt.

Mit diesen Zeilen geht ein Brief nach Manchester ab. Ob ich dort, ob in Birmingham, ob in Leeds, ob in Glasgow oder Edinburg mein Haupt niederlege, weiß der liebe Gott. Vorderhand weiß ich nur so viel, daß die Zeit, es niederzulegen, noch nicht gekommen ist. –


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