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Franz Karl Ginzkey (geb. 1871)

1. Kalifen-Lied.

Einst war zu Bagdad ein Kalif – er hieß nicht Harun al Raschid –
Auch weiß ich andres nicht von ihm, als daß er lebt in diesem Lied.
Er lebt, so wie ich ihn erschuf. Er lebt, wie ichs für gut befand.
Er lebt, solang es mir beliebt. Er lebt und stirbt von meiner Hand.

Einst war zu Bagdad ein Kalif – – verzeiht, soeben bringt man mir
Mein ganz bescheidnes Abendbrot, es ist nur etwas Wurst und Bier.
Es warte der Kalif so lang, bis ich verzehrt mein Stückchen Wurst.
Die Wurst ist für den Hunger gut, das Gläschen Bier ist für den Durst.

Einst war zu Bagdad ein Kalif – – wie freuts mich, daß er warten muß!
Kalif und Bettler sind mir gleich. Sein Warten ist mir Hochgenuß!
Sie alle sind in meinem Reich nur Sklaven meiner hohen Macht.
So ruht die Welt in meiner Hand, so herrsch ich über Tag und Nacht.

Einst war zu Bagdad ein Kalif – – wer kommt zu mir ins Kämmerlein?
Gehüllt in einen großen Schal die Liebste tritt zu mir herein!
Wie lacht verheißungsvoll ihr Mund! Wie grüßt mich ihrer Augen Strahl!
Wißt: was mit dem Kalifen war, erzähl ich euch ein andermal!

Denn was mit dem Kalifen war, bleibt mir zu sagen Zeit genug.
Doch solche holde Wirklichkeit jetzt drob versäumen wär nicht klug!
Kalifen schaff ich mir herbei, so viel ich mag, zu jeder Stund,
Doch niemals küßte euch ein Mund so heiß wie meiner Liebsten Mund!

2. Der Domherr von Passau.

(Nach einer alten Wiener Sage.)

Frau Anna von Rappach, Abtissin zu Wien,
Trug wunderlich Wünschen zur Schau:
Beicht-Hören, das tät sie fürs Leben so gern!
Es wird ja gebeichtet dem geistlichen Herrn,
Warum nicht der geistlichen Frau?

Als solches der Bischof von Passau vernahm,
Er lachte sich Tränen zu Tal:
»Und ist sie so heiß für das Beichten entbrannt,
So sei ihr zur Probe ein Domherr gesandt,
Der soll ihr erst beichten einmal!«

Bald stellte hierauf der Äbtissin galant
Ein Domherr als Beichtkind sich vor.
Sie sagte: »Vergesset in mir das Geschlecht«
Und setzte sich züchtig im Beichtstuhl zurecht,
Dem Sünder hinneigend das Ohr.

Und sieh – wie ein Feuerlein mählich erwacht,
Bald knistert es hie und bald da,
Halb brennts noch zu wenig und halb schon zu viel,
Begann nun die Sünde ihr züngelndes Spiel
Und drängelte zischend sich nah.

Frau Anna von Rappach erkannte entsetzt:
Hier stellte ein Meister sich vor.
Er setzte die Orgel der Sünde in Brand,
Er zog die Register mit kundigster Hand,
Ihm fehlte kein Stimmlein im Chor.

Doch ob sie zutiefst auch in Schauern empört,
Da Satan sich also erfrecht,
Sie sagt in Demut: »Es sei dir verziehn!
Nun bete zur Buß drei Avemarien,
Du armer, du sündiger Knecht!«

»Ei,« meinte der Domherr, »das will ich wohl tun,
Doch sagt ich das Schwerste noch nicht!
Das Schwerste, das würgt mir im Schlund wie ein Stein!«
– »Bekennt es!« ermahnte sie, »fügt euch darein!
Nun ward Euch Bekennen zur Pflicht!«

»Wohlan,« sprach der Domherr und atmete tief,
»O löst von der Sünde mich frei!
Wie soll ichs nur sagen, wie zwing ich die Scham?
Nun denn, so vernehmt, was noch keiner vernahm:
Ich leg jeden Morgen ein Ei!«

Da warf sich Frau Anna im Beichtstuhl zurück
Und barst bald vor Lachen entzwei.
Sie stöhnte: »O Wunder der Theologie,
Der Domherr von Passau, haha und hihi,
Der legt jeden Morgen ein Ei!«

Es gellte ihr Lachen durch Hallen und Wand,
Die Schwestern, die stürzten herbei.
»O hört, Dorothea, Beata, Marie –
Der Domherr von Passau, haha und hihi,
Der legt jeden Morgen ein Ei!«

Aufflatterten prustend wie Entlein am Teich
Die Nönnlein mit großem Geschrei:
»Solch köstliche Mär wir vernahmen noch nie –
Der Domherr von Passau, haha und hihi,
Der legt jeden Morgen ein Ei!«

Schon wußt es die Köchin, der Fuhrknecht im Stall,
Die Magd in der Milchmeierei,
Bald gabs keinen Mund, der nicht pfiff oder schrie:
»Der Domherr von Passau, haha und hihi,
Der legt jeden Morgen ein Ei!«

Bald gings auf den Gassen als Spottlied umher,
Die Buben, die sangen: »Juchhei!
Auf dem Mist in der Früh kräht der Kikeriki:
Der Domherr von Passau, haha und hihi,
Der legt jeden Morgen ein Ei!«

Als solches der Bischof von Passau vernahm,
Er nickte und sagte: »Schau, schau,
Beicht-Hören, das tät sie fürs Leben so gern?
Es wird ja gebeichtet dem geistlichen Herrn,
Warum nicht der geistlichen Frau?

Mein findiger Domherr, haha und hihi,
Der legte das richtige Ei.
Wie habt, Frau Äbtissin, ihr schlecht euch bewährt,
Doch hat mich die Probe nichts Neues gelehrt.
Nun ists mit dem Beichten vorbei!«

So ist auch das Liedel vorbei, dideldei,
haha und hihi und juchhei!

3. Abraham a Sancta Clara.

Ein Mann, der mehr uns gab als nahm,
(Wie schwer ist solcher Kunst Bestand)
Das war Herr Pater Abraham,
Auch Bruder Fabelhans genannt.
Die Seelen flatterten ihm zu,
Wie Motten, die ein Licht befällt.
Es gellte in des Bürgers Ruh
Sein »Hui der Welt und Pfui der Welt,
Wie sündhaft schwankt der Zeiten Lauf!
Auf, auf, ihr Christen, auf!«

Man sagt, als er geboren ward,
Begann er jämmerlich zu schrein.
Hingegen soll vergnügter Art
Und lachend er gestorben sein.
Ihn hat Herr Kaiser Leopold
Zum Prediger bei Hof ernannt,
Dieweil ihm Volk und Adel hold
Und weit sein Witz berühmt im Land.
Von seinen Späßen, frech und froh
Erzähl' ich einen. Der war so:

Im Schloß zu Ebreichsdorf geschah's,
Dort saß Herr Abraham zu Gast.
Es klang Burgunder Glas an Glas,
Kaum trug der Tisch des Bratens Last.
So zwischen Fraß und Völlerei
Geschah's, daß eine Sehnsucht kam
Nach einem Mann, der geistlich sei
Und fromm wie Pater Abraham.
Und man erbat von ihm als Gunst
Ein Pröblein seiner Kanzelkunst.

Er sprach: »Ihr wünschet mich herbei,
So sei das Wort euch nicht versagt.
Der Arzt auch spendet Arzenei,
Wenn irgendwo ein Siecher klagt.
Euch alle, die ihr hier vereint,
Bezwing' ich mit des Wortes Macht,
Auf daß ihr mir zur Rechten weint,
Hingegen ihr zur Linken lacht
Da staunten all die Gäste rings:
Wir weinen rechts? Ihr lachet links?

Er ließ für eine Spanne Zeit
Die Lichter löschen rund im Saal.
Dann scholl es durch die Dunkelheit:
»Nun spendet Licht zum andernmal!«
Und sieh – bei Kerzenflackerschein
Prophetisch auf dem Tische stand
Der Pater, mitten obendrein
Den Stuhl vor sich als Kanzelwand.
Nach rechts sah nun sein Angesicht.
Nach links sah – ei, das sagt man nicht.

Und nun begann er also stark
Zu predigen von Not und Tod,
Daß all den Lauschern fror das Mark
Vorm Zorn des Gottes Zebaoth.
Es schlug an sünd'ger Seelen Tor
Ingrimmig seiner Rede Wucht.
Als reuig Bächlein brach hervor
Der Tränen ungestüme Flucht.
» O mea culpa« klang es weh
Und bang » peccavi, domine!«

Indessen schwoll, wie sonderbar,
Gelächter hinter ihm herfür.
Es war der Lauscher andre Schar,
Die dort sich drängte Tür an Tür.
O seht – an seiner Kutte hing
Ein Fuchsschwanz, buschig wonniglich.
Der baumelnd auf und nieder ging
Und lieblich predigte für sich.
Je donnernder der Pater stritt,
Je froher sprang das Schwänzlein mit.
Dies ist die Kunde, wie es kam,
Daß dort geweint ward, hier gelacht.
Mich dünkt, nie hat Herr Abraham
So gute Predigt je vollbracht.
Zwiefache Predigt hielt er so
Uralter Seligkeit gewiß,
Daß unzertrennlich ernst und froh
Und eins sind Licht und Finsternis.

Es war wohl eines Schalks Gewinn,
Doch trug es auch verborgnen Sinn.

4. Der Basilisk.

(Nach einer alten Wiener Sage.)

Legt ein Hahn ein Ei,
Der Himmel mags verhüten,
Und kriecht eine Kröte herbei
Und tät das Ei ausbrüten,
Dann schließt der Bürger Tür und Tor,
Denn böse Dinge stehn bevor.

Oho! Warum? Wieso?
Es ist nicht recht geheuer,
Schon brenzelts irgendwo
Wie Pech und Schwefelfeuer.
Des Bäckers Magd kommt mit Geschrei:
»Im Brunn', da schwimmt ein schwarzes Ei!«

Wer wagts und schaut hinein?
Man hörts tief unten zischen.
Dann gellt durch Mark und Bein
Ein Hahnenschrei dazwischen.
Jetzt kriecht aus dem verruchten Ei
Ein Basilisk! Gott steh uns bei!

Wers etwa wagt zu schaun
Ins Aug dem Ungeheuer,
Erstarrt wie einst in Graun
Frau Lot vor Sodoms Feuer,
Mit Schuppen ist es angetan,
Halb eine Kröte, halb ein Hahn.

O schwerbetroffnes Haus,
Wo solch ein Gast im Brunnen!
Der Bäcker stürzt heraus,
Als jagten ihn die Hunnen.
Die Hände ringt in Angst und Pein
Sein schönes blondes Töchterlein.

Mit Hu und Jessas na
Kommt rings das Volk gelaufen,
Voll Neugier steht es da
Und wogt in hellen Haufen.
Doch keiner wagts und schaut hinein,
Denn wers erschaut, erstarrt zu Stein.

Des Bäckers Knecht, der Franz,
Schiebt weg des Brunnens Riegel.
Was gibt so hellen Glanz?
Er kommt mit einem Spiegel.
Er steigt damit hinab nicht faul,
Hält ihn dem Ungetüm vors Maul.

Der Basilisk wird wild
Und fuchtelt mit den Tatzen.
Er schaut sein Spiegelbild
Und muß vor Schreck zerplatzen.
Zum Himmel, der wie Seide blank,
Dampft noch ein Wölklein mit Gestank.

Da jauchzt das Volk von Wien
Und dreht sich froh im Reigen.
Der liebe Augustin
Spielt auf zu Flöt und Geigen.
Der schlaue Franz beginnt den Reihn
Wohl mit des Bäckers Töchterlein.

Wie lob ich mir den Mann,
Der Salomonis Siegel
So klug gebrauchen kann,
Wie dieser mit dem Spiegel.
Nur kühn hinab in jeden Schacht,
Wo Finsternis uns bange macht.

Ihr Bürgersleut von Wien,
Hört an und laßt euch sagen:
Solch alte Märlein ziehn
Auch noch in unsern Tagen.
Noch spukt, von Finsternis umsponnen,
Manch Dunkles in den Wiener Bronnen.


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