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Joseph Victor von Scheffel (1826-1886)

1. Wanderlied.

Wohlauf, die Luft geht frisch und rein,
Wer lange sitzt, muß rosten;
Den allersonnigsten Sonnenschein
Läßt uns der Himmel kosten.
Jetzt reicht mir Stab und Ordenskleid
Der fahrenden Scholaren,
Ich will zu guter Sommerzeit
Ins Land der Franken fahren!

Der Wald steht grün, die Jagd geht gut,
Schwer ist das Korn geraten;
Sie können auf des Maines Flut
Die Schiffe kaum verladen.
Bald hebt sich auch das Herbsten an,
Die Kelter harrt des Weines;
Der Winzer Schutzherr Kilian
Beschert uns etwas Feines.

Wallfahrer ziehen durch das Tal
Mit fliegenden Standarten,
Hell grüßt ihr doppelter Choral
Den weiten Gottesgarten.
Wie gerne wär ich mitgewallt,
Ihr Pfarr' wollt mich nicht haben!
So muß ich seitwärts durch den Wald
Als räudig Schäflein traben.

Zum heiligen Veit von Staffelstein
Komm ich emporgestiegen,
Und seh die Lande um den Main
Zu meinen Füßen liegen!
Von Bamberg bis zum Grabfeldgau
Umrahmen Berg und Hügel
Die breite, stromdurchglänzte Au –
Ich wollt, mir wüchsen Flügel.

Einsiedelmann ist nicht zu Haus,
Dieweil es Zeit zu mähen;
Ich sah ihn an der Halde draus
Bei einer Schnittrin stehen.
Verfahrener Schüler Stoßgebet
Heißt: Herr, gib uns zu trinken!
Doch wer bei schöner Schnittrin steht,
Dem mag man lange winken.

Einsiedel, das war mißgetan,
Daß du dich hubst von hinnen!
Es liegt, ich seh's dem Keller an,
Ein guter Jahrgang drinnen.
Hoiho! Die Pforten brech ich ein
Und trinke, was ich finde ...
Du heiliger Veit von Staffelstein,
Verzeih mir Durst und Sünde!

2. Am Grenzwall.

Ein Römer stand in finstrer Nacht
Am deutschen Grenzwall Posten,
Fern vom Kastell war seine Wacht,
Das Antlitz gegen Osten ...
Da regt sich feindlich was am Fluß,
Da schleicht und hallt was leise ...
Kein Paean von Horazius,
Ganz wildfremd war die Weise:
»Ha… hamm… hammer dich emol, emol, emol
An dei'm verrissene Kamisol,
Du schlechter Kerl!«

An eine Jungfrau Chattenstamms
Hatt er sein Herz vertändelt
Und war ihr oft im Lederwams
Als Kaufmann zugewandelt.
Jetzt kam die Rache ... eins, zwei, drei!
Jetzt war der Damm erklettert ...
Jetzt kam's wie wilder Katzen Schrei
Und Keulenschlag geschmettert:
»Ha… hamm… hammer dich emol, emol, emol
An dei'm verrissene Kamisol,
Du schlechter Kerl!«

Er zog sein Schwert, er blies sein Horn,
Focht als geschulter Krieger,
Fruchtlos war Mut und Römerzorn,
Die Wilden blieben Sieger.
Sie banden ihn und trugen ihn
Wie einen Sack von dannen;
Als die Kohort am Platz erschien,
Scholls fern schon durch die Tannen:
»Ha… hamm... hammer dich emol, emol, emol
An dei'm verrissene Kamisol,
Du schlechter Kerl!«

Versammelt war im heiligen Hain
Der Chatten Landsgemeinde,
Ihr Odinsjulfest einzuweihn,
Mit Opferblut vom Feinde.
Der fühlt sich schon als Bratenschmor
In der Barbaren Zähnen,
Da sprang sein blonder Schatz hervor
Und rief mit heißen Tränen:
»Ha… hamm… hammer dich, emol, emol, emol
An dei'm verrissene Kamisol,
Du schlechter Kerl!«

Und alles Volk sprach tiefgerührt
Ob solcher Wiederfindung:
»Man geb ihn frei und losgeschnürt
Der Freundin zur Verbindung!
Nimmt sie ihn hier vom Fleck als Frau,
Sei alle Schuld verziehen.«
Und heut noch wird im ganzen Gau
Als Festbardit geschrieen:
»Ha… hamm... hammer dich emol, emol, emol
An dei'm verrissene Kamisol,
Du schlechter Kerl!«

3. Die Fahndung.

Und wieder sprach der Rodenstein:
»Pelzkappenschwerenot!
Hans Breuning, Stabstrompeter mein,
Bist untreu oder tot?
Lebst noch? ... Lebst noch und hebst noch?
Man g'spürt dich nirgend mehr ...
Schon naht die durstige Maiweinzeit,
Du mußt mir wieder her!«

Er ritt, bis er gen Darmstadt kam,
Kein Fahnden war geglückt;
Da lacht' er, als am schwarzen Lamm
Durchs Fenster er geblickt:
»Er lebt noch! ... Lebt noch und hebt noch,
Doch frag mich keiner: wie?
Wie kommt mein alter Flügelmann
In solche Kompagnie?«

In Züchten saß der Stammgäst Schar
Nach Rang und Würden dort,
Dünnbier ihr Vespertrünklein war,
Es klang kein lautes Wort.
»Sacht stets! ... Sacht und bedacht stets
Ist Lebens Hochgenuß,«
So flüstert ein Kanzleimann just
Zum Kreisamtssyndikus.

In dieser Schöppleinschlürfer Reih
Saß auch ein stiller Gast,
Und als es acht Uhr war vorbei,
Nahm's Stock und Hut mit Hast.
»Acht jetzt! ... Acht jetzt ... gut Nacht jetzt!
Einst war ich nicht so brav,
Doch ehrbar wandeln ist das best',
Ich geh ins Bett und schlaf.«

Der Rodenstein in grimmem Zorn
Hub grau'nhaft sich empor;
Dreimal stieß er ins Jägerhorn
Und blies mit Macht den Chor:
»Raus da! 'raus aus dem Haus da!
'raus mit dem Deserteur!
Das lahme, zahme Gast da drin
Gehört zum wilden Heer!«

Da faßt das Gast ein Schreck und Graus.
Erst sank es tief ins Knie,
Dann stürzt' es einen Maßkrug aus,
Schlug's Fenster ein und schrie:
»'naus da! 'naus aus dem Haus da!
O Horn und Sporn und Zorn!
O Rodenstein! O Maienwein!
Noch bin ich nicht verlor'n.
Rumdiridi, Freijagd!
Hoidiridoh, Freinacht!
Alter Patron
Empfah' deinen Sohn!
Hussah, halloh!
Jo, hihahoh!
'naus, 'naus, 'naus!«

4. Der Enderle von Ketsch.

Chorus.

Jetzt weicht, jetzt flieht! Jetzt weicht, jetzt flieht
Mit Zittern und Zähnegefletsch:
Jetzt weicht, jetzt flieht! Wir singen das Lied
Vom Enderle von Ketsch!

Solo.

Ott' Heinrich, der Pfalzgraf bei Rheine,
Der sprach eines Morgens: »Rem blemm!
Ich pfeif' auf die saueren Weine,
Ich geh' nach Jerusalem!

Viel schöner und lilienweißer
Schaun dort die Jungfrauen drein:
O Kanzler, o Mückenhäuser,
Fünftausend Dukaten pack ein!«

Und als sie lagen vor Joppen,
Da faltet der Kanzler die Händ:
»Jetzt langt's noch zu einem Schoppen,
Dann sind die Dukaten zu End!«

Ott' Heinrich, der Pfalzgraf, sprach munter:
»Rem blemm! Was ficht uns das an?
Wir fahren nach Zyprus hinunter
Und pumpen die Königin an.«

... Schon tanzte die alte Galeere
Vor Zyprus in funkelnder Nacht,
Da hub sich ein Sturm auf dem Meere,
Und rollender Donner erkracht.

Umzuckt von gespenstigem Glaste
Ein schwarzes Schiff braust vorbei,
Hemdärmlich ein Geist steht am Maste,
Und furchtbar gellet sein Schrei:

Chorus.

»Jetzt weicht, jetzt flieht! Jetzt weicht, jetzt flieht
Mit Zittern und Zähnegefletsch:
Jetzt weicht, jetzt flieht! Im Sturm herzieht
Der Enderle von Ketsch!«

Solo:

Der Donner klang leiser und leiser,
Und glatt wie Öl lag die See,
Dem tapferen Mückenhäuser,
Dem Kanzler, wars wind und weh.

Der Pfalzgraf stund an dem Steuer
Und schaut in die Wogen hinaus:
»Rem blemm! 's ist nimmer geheuer,
O Zyprus, wir müssen nach Haus!

Gott sei meiner Seele gnädig,
Ich bin ein gewitzigter Mann:
Zurück, zurück nach Venedig!
Wir pumpen niemand mehr an.

Und wer bei den Türken und Heiden
Sein Geld wie ich verschlampampt,
Der verzieh sich geräuschlos beizeiten,
Es klingt doch höllenverdammt:

Chorus:

»Jetzt weicht, jetzt flieht
Mit Zittern und Zähnegefletsch:
Jetzt weicht, jetzt flieht! Im Sturm herzieht
Der Enderle von Ketsch!«


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