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Franz Dingelstedt (1814-1881)

Die Schildwache.

Ich möchte wohl die Schildwach' sein,
Die jenes Haus bewacht,
Um unter Liebchens Fensterlein
Zu schildern Tag und Nacht.

Dann säh' ich sie frühmorgens gleich,
Wenn sich ihr Vorhang regt,
Und abends spät beim Zapfenstreich,
Wenn sie sich niederlegt.

Bei Tage ging mein Pendellauf
Hier unten hin und her,
Sie schaut herab, ich schau' hinauf –
Was will die Schildwach mehr?

Und wenn es stürmt in Wintersgraus,
Dann deck ich mich in Ruh,
Beschirmt vom sichern Schilderhaus,
Mit meinem Mantel zu.

Mich friert auch nicht, weil Sonnenschein
Mir keiner Zeit gebricht:
Bei Tag aus ihren Äugelein,
Zu Nacht von ihrem Licht.

So halt ich sie in treuer Hut,
Sie kann in Frieden ruhn,
Und wer ihr was zuleide tut,
Der hat's mit mir zu tun.

Wagt gar ein lüsterner Gesell
Dem Haus und ihr sich nah,
Den arretier ich auf der Stell'
Und schreie: Halt wer da!?

Doch tritt sie selbst ersehnt einher
Und kommt aus ihrem Haus,
Flugs präsentier ich das Gewehr
Und rufe: Wache raus!

Nur einen Wachtruf tu ich nie,
Der heißet: abgelöst!
Ich bleibe Schildwach stehn, bis sie
Mich grausamlich verstößt!


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