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Alexander Kaufmann (1817-1893)

1. Die Mönche von Johannisberg.

Von Fuld der wackre Abt kam einst zu visitieren,
Ob auf Johannisberg die Reben recht florieren.
Die Trauben fingen schon braungoldig an zu blinken,
Der Abt lud den Konvent zu einem Abendtrinken.

Er sprach: »Der künftge Herbst wird sicher uns erfreuen,
Ein Fläschlein minder, mehr, wir brauchens nicht zu scheuen.
Her aus dem Mutterfaß! Doch halt, bevor wir zechen,
Nehmt eur Brevier, ihr Herrn, ein kurz Gebet zu sprechen!«

»Brevier?« –»Ja, das Brevier!« –Sie mochten schier versinken;
Sie suchen, suchen. – »Laßts! Beginnen wir zu trinken!
Die Flaschen her! Weiß Gott, das heiß ich doch vergeßlich,
Daß ich den Stöpselzug daheim ließ; – es ist häßlich!«

»Den Stöpselzug?« – Im Nu fährts da in alle Taschen,
Und gibts im Augenblick Korkzieher mehr als Flaschen.
»Bravo, ihr frommen Herrn! Dies Stückchen find ich heiter.
Daran erkenn ich recht die echten Gottesstreiter.

Bravo, ihr frommen Herrn! Welch reicher Gottessegen
An Stöpselziehern – ei, was guckt ihr so verlegen?
Laßts euch für heute nur nicht weiter Kummer schaffen,
Bis morgen – still! ihr Herrn, ergreifen wir die Waffen!«

2. Verrat.

Die Wasserlilie kichert leis,
»Ich muß euch ein Ding verraten,
Ich muß euch verraten, was gestern nachts
Zwei junge Verliebte taten.

Die kamen mit Vetter- und Basenschaft
Den Strom heruntergeglitten,
Die saßen, weil Lauscher im Boot, ganz still
Mit auferbaulichen Sitten.

Sie tauchte die Hand ins Wogenblau,
Den klopfenden Puls zu kühlen,
Er wollte zur selben Zeit einmal
Nach der Wärme des Wassers fühlen.

Und unter dem Wasser begegnen sich
Verstohlen die beiden Hände,
Und fliehen sich und fangen sich –
Es nimmt das Spiel kein Ende.

Die Basen haben nichts gemerkt
Von der glücklichen Liebesstunde,
Ich aber hab' es wohl gesehn
Tief her aus dem lauschenden Grunde.«


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