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Christian Friedr. Daniel Schubart (1739-1791)

1. Der Schneider.

Als einst ein Schneider reisen soll,
Weint er und schrie er sehr:
»Ach Mutter, lebe ewig wohl,
Mich siehst du nimmermehr.«
Die Mutter heult entsetzlich:
Das laß ich nicht geschehn!
Du sollst mir nicht so plötzlich
Aus deiner Heimat gehn.

»Ach Mutter, ich muß halt von hier,
Ist das nicht jämmerlich!«
Nein Söhnchen, ich weiß Rat dafür:
Verstecken will ich dich;
In einem Taubenschlage
Verberg ich dich, mein Kind,
Bis deine Wandertage
Gesund verflossen sind.

Mein guter Schneider merkt sich dies
Und tat, als ging er fort,
Nahm traurig Abschied und verließ
Sich auf der Mutter Wort.
Doch Abends nach der Glocke
Stellt er sich wieder ein
Und kroch gleich einem Bocke
Zum Taubenschlag hinein.

Hier ging er, welche Wanderschaft
Im Schlage auf und ab
Und wartete, bis ihm zur Kraft
Die Mutter Nudeln gab.
Bey Tag war er auf Reisen,
Doch, ach, in mancher Nacht,
Da hatt er mit den Mäusen
Und Ratten eine Schlacht.

Einst hatte seine Schwester Streit
Nicht weit von seinem Haus;
Er hörts, wie seine Schwester schreit
Und guckt zum Schlag hinaus.
Mein Schneiderlein im Hemde
Macht eine Faust und droht:
»Wär ich nicht in der Fremde
Ich schlüge dich zu todt!«

2. Der kalte Michel.

War einst ein deutscher Junker
Im prächtigen Paris;
Er wollt sein Geld in Ehren
Und mit Geschmack verzehren
In Frankreichs Paradies.

Auf einmal blieb der Wechsel
Ihm allzulange aus.
Er schrieb zwar viel naive
Und wohlgesetzte Briefe,
Doch kam kein Geld von Haus!

Des Franzmanns Komplimente
Die waren jetzt nicht groß:
Nur die mit vollen Händen
Ihr deutsches Geld verschwenden
Sieht gerne der Franzos ...

Einst schaute er zum Fenster
Mit dunkelm Blick hinaus;
Schon träumt er von Pistolen,
Von Mord und Teufelholen:
Da kam sein Knecht von Haus.

Gleich schrie er: Guter Michel,
O komm doch rauf zu mir!
Der Michel sprach: »Ihr Gnaden,
Ein Schöpplein könnt nicht schaden:
Ich weiß kein Weinhaus hier.«

Dann trat der Kerl ins Zimmer,
Der Junker fragt: was Neu's?
Doch Michel setzt sich nieder,
Labt erst mit Wein sich bieder
Und sagt dann, was er weiß.

»Ei denkt doch, gnädger Herre,
Der Rabe ist verreckt!
Er hatte wenig Futter,
Auf einmal fraß er Luder,
Bis er davon verreckt!«

Wer gab ihm so viel Luder?
Fragt Junker schon gerührt. –
»Ha; euers Vaters Pferde
(Ihr wißt, von großem Werte)
Die waren halt krepiert.«

Was, meines Vaters Pferde? –
»Ha, ists euch nicht bekannt?
Ihr Gnaden, muß nur sagen,
Vom vielen Wassertragen
Verreckten sie beim Brand

Was sagst von einem Brande? –
»Hm! ja in euerm Haus.
's ist eben kein Mirakel,
Denn spielt man mit der Fackel,
So kömmt gleich Feuer aus.«

Ach Gott, mein Schloß verbrannte?
»Ihr Gnaden sagt es gleich.
Mit Fackeln und mit Kerzen
Ist wahrlich nicht zu scherzen
Wie bei der Mutter Leich.«

Wie, Michel, meine Mutter? –
»Ja freilich, die ist tot!
Sie hat sich halt bekümmert,
Und Kümmernis verschlimmert
Das Blut und bringt den Tod.«

Wer hat sie denn bekümmert? –
»Ihr Vater, wie man sagt:
Der hat vor sieben Wochen
Halt das Genick gebrochen
Und zwar auf einer Jagd!«

Der Junker sich den Schädel
Mit beiden Fäusten schlug –
Wär ich doch nie geboren!
Ha! alles ist verloren –
Verdammter Hund, genug!


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