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Moritz Gottlieb Saphir (1795-1858)

1. Der Tod und das Weib.

Der Tod verklagte einst vor Jovis Thron
Wie folgt, den weisen Salomon:
»Herr! dieser weise König sprach,
Und Narren, Weise sagens nach,
›Ein böses Weib ist ärger als der Tod!‹
Wird jemand nun von mir bedroht,
So lacht er mich noch höhnisch aus,
Es heißet nur von Haus zu Haus:
Was droht der arme Wicht denn noch
Ein böses Weib ist ärger doch!«
Als drauf der Tod voll Ingrimm schweigt,
Spricht Salomon, das Knie gebeugt:
»Befiehl, o Herr! daß er im Menschenleib
Auf Erden frei ein Eheweib
Und nennt er meinen Spruch dann noch bizarr,
Dann ist der König Salomon ein Narr.«
Und Jupiter, dem manche Erdenmaid
Ins Gottesauge Sand gestreut,
Sein » fiat« spricht. Der Tod auch alsobald
Zur Erde steigt in Mannsgestalt:
Schulmeistergleich frisiert den Kopf,
Im roten Rock und langen Zopf
Und holte gleich im ersten Ort
Der Wandrung eine Witwe fort,
Die kürzlich erst ins Paradies
Den sechsten Mann spazieren ließ.
Nachdem sie ihrem Veit und Max,
Dem Hinz, dem Kunz, dem Pold und Stax
Die Leichenred erbaulich hielt
Und ihn dabei recht angeschielt,
Ging munter das verliebte Paar
Zum Pfarrer hin und zum Altar.
Doch da erkannt der Gottesknecht
An dürrer Hand den schlauen Hecht
Und ruft ihn 'nein ins Kämmerlein:
»Herr! wollt Ihr hier getraut nun sein,
Versprecht mir, daß, wenn einst mein Stündlein schlägt,
Ihr die Gestalt als Tod noch trägt,
Schulmeistergleich frisiert den Kopf:
Mit rotem Rock und langem Zopf.«
Der Tod versprichts, und allsogleich
Steht unser Paar in Hymens Reich.
Da lebten sie auch kurze Zeit
In Frieden und in Einigkeit;
Er würzet ihr die liebe Eh
Mit wenig Zank und viel Kaffee;
Doch kann ein Weib stets freundlich sein?
Die Weltgeschichte spricht hier nein!
Bald hört er wie bei stiller Nacht
Ein sanft Gebet sein Weib vollbracht:
»O komm; du freundlich lieber Tod
Befreie mich von meiner Not!«
Daß solch Gebet verdrießlich macht,
Wird keinem Manne je verdacht.
Bald stellte sich nach Sonnenschein
Ein Handgemeng, ein Plänkeln ein.
Vom Plänkeln kams zum Faustgefecht
Und Sieger blieb das – schwach' Geschlecht!
Schulmeisters schönen Lockenzopf
Begoß ein heißer Suppentopf.
Bald ward sein rotes Festtagskleid
Von Mehlgeschirren überschneit
So, daß der Tod bald lendenlahm
Auf immer heilsam Reißaus nahm.
Er ließ auch dann der Jährchen zehn
Nichts hören von sich und nichts sehn.
Da wird vom Pfarrer sie beschickt,
Den schon das Sterbestündchen drückt;
Der schwach und leise spricht zu ihr:
»Ach, gute Martha, bleibt bei mir,
Versprecht mir, daß, bis ich erbleicht,
Ihr nimmermehr vom Bette weicht;
Dafür sollt Ihr auch ganz allein
Nach meinem Tod mein Erbe sein.«
Die Marthe, willig und bereit,
Pflanzt sich ans Bett bequem und breit,
Den Fliegenscheucher in der Hand,
Wie auf dem Posten ein Sergeant.
Da naht der Tod sich alsobald,
Wie er versprach in Mannsgestalt:
Schulmeister gleich frisiert den Kopf
Im roten Rock und langem Zopf.
Und als er so in dieser Tracht
Beim Pfarrer still die Tür aufmacht,
Erkennt Frau Marthe ihren Mann
Und fängt zu lärmen wütend an,
Indem sie faßt ihn am Genick:
»Ha, hab ich dich, du Galgenstrick!«
Und »tausend Wetter Element«
Begleiten dieses Kompliment.
Da huscht der Tod zur Tür hinaus
Und denkt, sie geht wohl bald nach Haus!
Und tritt nach einem Stündchen fein
Beherzt zu seinem Opfer 'nein.
Da fliegt an Kopf ihm allzumal
Der Spucknapf und die Suppenschal.
Der Tod entflieht zu Jovis Thron
Und ruft: »O recht sprach König Salomon,
Ich trau mich nicht an Pfarrers Leib,
Denn an dem Bette sitzt mein Weib!
Doch, daß ich bald das Ende schau,
Hol ich als Tod erst meine Frau!«
Wie man vernimmt, hat seit der Zeit
Der Tod auch nimmermehr gefreit.
Doch, daß er einst ein Eh'mann war,
Zeigt sein Gerippe hell und klar.

2. Der Gottesdienst der Liebe.

Liebe ist die höchste Gottheit,
Ist die höchste Religion,
Und die Erde hat als Tempel
Ihr erbaut schon Salomon.
Und der Himmel ist die Kuppel,
Und die Deck' das Firmament,
Und die Sonne die ewige Lampe,
Die im Heiligtume brennt.

Und die Vöglein sind die Leviten,
Die im frommen Sängerchor
Singen zu dem Gott empor.
Und die Frauen sind die Priester,
Und die Ehe der Altar,
Und die Männer sind die Ochsen,
Die man bringt zum Opfer dar.


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