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Walther von der Vogelweide (1170-1230)

1. Die verschwiegene Nachtigall.

Unter der Linden
Bei der Heide,
Wo unser zweier Bett gemacht,
Da mögt ihr finden,
Wie wir beide
Pflückten im Grase der Blumen Pracht.
Vor dem Wald im tiefen Tal,
Tandaradei!
Lieblich sang die Nachtigall.

Ich kam gegangen
Hin zur Aue –
Mein Trauter harrte schon am Ort.
Wie ward ich empfangen,
O Himmelsfraue!
Des bin ich selig immerfort.
Ob er mich küßte? Wohl manche Stund,
Tandaradei!
Seht, wie ist so rot mein Mund.

Da tät er machen
Uns ein Bette
Aus Blumen mannigfalt und bunt.
Darob wird lachen,
Wer an der Stätte
Vorüberkommt, aus Herzensgrund:
Er wird sehn im Rosenhag,
Tandaradei!
Sehen, wo das Haupt mir lag!

Wie ich da ruhte,
Wenn man es wüßte,
Barmherziger Gott – ich schämte mich.
Wie mich der Gute
Herzte und küßte,
Keiner erfahr es als er und ich,
Und ein kleines Vögelein –
Tandaradei!
Das wird wohl verschwiegen sein!

(Z.)

2. Winterverdruß.

(Ein Vokalscherz.)

Die Welt man bunt und prangend sah,
Grün Wald und Anger fern und nah,
Die kleinen Vöglein sangen da,
Jetzt ruft die Nebelkräh ihr Krah!
Verfärbte sich die Welt etwa?
Grau ist sie allenthalben ja –
Viel Nasenrümpfens drob geschah.

Ich saß auf grünem Berg im Klee,
In bunten Blumen schritt das Reh;
Nun zwischen mir und diesem See
Ging alle Augenlust Ade!
Wo wir uns Kränze wanden eh,
Da liegt nun Reif und tiefer Schnee,
Der tut den armen Vöglein weh.

Die Toren lachen laut: Hihi!
Die Armen, ach, wie winseln sie,
Und tun mir leid, weiß keiner wie!
Drei bittre Sorgen hab ich, die
Der harte Winter mir verlieh;
Doch drückten sie mich nun und nie,
Wenn erst ein Frühlingsvogel schrie!

Eh ich noch länger lebte so,
Äß ich die Krebse lieber roh!
O Sommer, mach uns wieder froh.
Du ziertest Busch und Au, allwo
Beim Blumenspiel mein Kummer floh:
In Lust entbrannt ich lichterloh,
Da trieb der Winter mich ins Stroh!

Mit Esau lag ich träg in Ruh,
Mein glattes Haar ward rauh im Nu;
Ach Sommerlust, wo weilest du?
Ich säh so gern dem Feldbau zu,
Und eh ich länger so vom Schuh
Mich drücken ließ, wie jetzt ichs tu,
Eh würd ich Mönch in Toberlu!

(Z.)

3. Tanzlied.

»Nehmt, Herrin, diesen Kranz«,
Sprach ich zu einer wunderfeinen Magd,
»So zieret ihr den Tanz
Mit diesem Blumenschmuck, wenn ihr ihn tragt!
Hätt ich viel köstliche Gesteine,
Sie wären all die Euern;
Laßt, Herrin, michs beteuern
Daß ich es treulich mit euch meine!

Ihr seid so wohlgetan,
Daß ich euch gern ein Kränzlein geben will,
So gut ichs winden kann.
Ich weiß viel Blumen stehn in Hüll und Füll,
Wohl weiß und rot, fern in der Heide,
Wo lieblich sie entspringen
Bei muntrer Vöglein Singen:
Da sollten wir sie brechen beide!«

Sie nahm, was ich ihr bot,
Gleich einem Kind, das ein Geschenk beglückt!
Ihr ward die Wange rot,
Als ob die Lilie Rosenfarbe schmückt.
Den Blick sah ich sie schamhaft neigen,
Da ward mir von der Süßen
Zum Lohn ein holdes Grüßen –
Und bald noch mehr: des laßt mich schweigen!

Ich glaubte niemals mehr
An größre Wonne, als ich da besaß.
Es fielen auf uns her
Viel Blüten von den Bäumen in das Gras.
Ach wie ich da vor Freuden lachte,
Weil mich mit süßen Wonnen
Das Traumbild hielt umsponnen –
Da kam der Tag und ich erwachte!

Mir ist von ihr geschehn,
Daß ich den Mägdlein all zur Sommerszeit
Nun muß ins Auge sehn,
Ob ich sie wiederfänd? o Seligkeit!
Wie? wenn sie wär in diesem Tanze?
Ihr Frauen, habt die Güte,
Rückt aus der Stirn die Hüte:
Ach – fänd ich sie doch unterm Kranze!

(Z.)

4. Traumdeutung.

Als der Sommer wiederkam,
Alle Blumen wonnesam
Aus dem Grase drangen
Und die Vöglein sangen,
Bin ich hingeschritten,
Wo aus Feldesmitten
Hell ein frischer Born entsprang:
Schnell floß er den Wald entlang
Bei der Nachtigall Gesang.

Dicht am Bronnen stand ein Baum,
Da entspann sich mir ein Traum;
Und mir wars: zum Bronnen,
Schritt ich aus der Sonnen;
Schatten wollt ich finden
Unterm Dach der Linden.
An dem Quell ich niedersaß,
Aller Sorgen ich vergaß
Und entschlief im weichen Gras.

Und ich sah in Traumeswahn
Meer und Land mir untertan,
Sah den Geist geborgen
Hier vor allen Sorgen,
Sah dem Leib gegeben
Ungebundnes Leben.
Alles Weh entschwand mir da,
Weiß der Herrgott, wie's geschah,
Niemals schönern Traum ich sah!

Gern ich dort noch länger schlief!
Aber eine Krähe rief
Mit unzeitigem Schalle.
Krähn, wärt ihr doch alle,
Wo ihr müßt dran glauben!
Mir solch Glück zu rauben!
Vom Gekreisch ich so erschrak,
Daß – wenn da ein Stein nur lag –
Wärs gewiß ihr letzter Tag!

Doch ein Weib, das hochbetagt,
Tröstete mich unverzagt!
Als mein Leid ich klagte,
Mir die Wackre sagte,
Was der Traum bedeute –
Hört es, lieben Leute:
Zwei und einer, das sind drei,
Und erklärte mir dabei,
Daß mein Daum ein Finger sei!

(Z.)

5. Die Liebste im Bade.

Das wundervoll geschaffne Weib!
O würde mir ihr Habedank!
Es steh ihr minniglicher Leib
Voran in meinem Hochgesang!
Säng jeder Frau gern Lob und Preis,
Doch diese hab ich mir erwählt;
Wer aber eine andre weiß
Und lobt, sei nicht darum geschmählt.
Er hab gleich mir auch Weis und Wort,
Und lob ich hier, so lob er dort!

Ihr Antlitz ist so wonnereich,
Als obs mein Himmel wollte sein:
Fürwahr, wem anders wär es gleich?
Es strahlt in himmlisch-holdem Schein!
Zwei Sterne glänzen dran voll Pracht,
O könnt ich darin spiegeln mich;
Und wären sie in meiner Macht,
Manch Wunder wohl begäbe sich.
Ich würde wieder jung zumal
Und kennte keine Liebesqual.

Gott schuf die Wangen ihr mit Fleiß,
Und keine Farbe er verdarb:
Welch reines Rot, welch reines Weiß,
Hier rosiglich, dort lilienfarb!
Ich seh es wohl genau so gern,
(Man rechne mirs als Lästrung an)
Als Himmelsrund und Himmelsstern –
O weh, was lob ich dummer Mann?
Nun wächst ihr Stolz gewiß noch mehr:
Dann büßts mein Mund am Herzen schwer!

Ihr Hälslein, wie auch Fuß und Hand,
Vollkommen ists und wohlgebaut –
Was ich noch sonst zu loben fand,
Hab ich noch lieber angeschaut.
Ich hätte ungern decke dich
Gerufen, als ich nackt sie sah –
Nicht sah sie mich, doch traf sie mich;
Noch heute schmerzt michs hier wie da;
Wo sich die Liebliche enthob
Dem Bad – Preis sei dem Ort und Lob!

Sie hat ein Küssen, das ist rot,
Gewönn ich das für meinen Mund,
So wär ich ledig aller Not
Und gleich für Lebenszeit gesund!
Wem sie das an die Wange legt,
Der schmiegte sich nicht nah genug;
Es düftet, wenn mans nur bewegt,
Als wär es voller Wohlgeruch.
Dies Küßchen soll sie leihen mir:
So oft sies fordert, gäb ichs ihr!

(Z.)

(Küssen und Küßchen Wortspiel mit Kissen.)

6. Der Kaiser als Spielmann.

Wenn ich mich selber rühmen soll,
Bin deshalb ich ein züchtger Mann,
Weil ich ertrage ohne Groll
Viel Unfug, den ich rächen kann?
Ob ihn ein Klausner trüge?
Glaubs nicht, daß er sich füge!
Fänd er Gelegenheit wie ich,
Und griff ihn dann ein Zörnelein,
Glaubt mirs: er rächte doppelt sich,
Doch ich – aus Sanftmut – laß es sein!
Dies und noch mehr ertrüg ich froh,
Doch hört nur erst: Warum? wieso?

Einst lehrtet ihr mirs, Herrin, so:
»Wer euch beschwerte euern Mut,
Den wolltet ihr bald machen froh,
Dann hätt er Scham und würde gut.«
Habt ihr mirs so erkläret,
So seht, daß ihrs bewähret!
Ich freue euch, ihr schafft mir Pein!
Schämt euch! (Dies Wort ist herbe zwar)
Doch wollt ihr wahr dem Wort nach sein,
So werdet gut – dann spracht ihr wahr.
Ihr seid so gut, ich weiß wie sehr,
Und stets wird eurer Güte mehr!

Wohl seid ihr, Herrin, schön und wert,
Doch stünde Gnade schön dabei;
Was tut es, daß man euch begehrt?
Gedanken sind ja wohl noch frei!
Ich ließe gerne jeden
Wünschen, träumen und reden!
Doch wenn ich zu vermessen bin,
Wer ists denn, der Euch Lieder singt?
Wollt ihrs nicht hören, hört nicht hin,
Doch weiß ich, daß es Dank mir bringt.
Wenn euch mein Lied bei Hofe tönt,
So werd ich drob mit Ruhm gekrönt.

Wohl habt ihr in ein Prachtgewand
Gekleidet, Frau, den reinen Leib,
Ein besser Kleid ich niemals fand:
Ihr seid ein reichgeschmücktes Weib;
Segen und Heil erblicket
Man sinnreich drin gesticket!
Getragnes Kleid, nie nahm ichs zwar,
Fürs Leben nähm ich gern dies Kleid.
Der Kaiser würd ihr Spielmann gar,
Wenn sies ihm zum Geschenke weiht.
Wohlan, so rührt die Saiten froh,
Herr Kaiser ... aber anderswo!

(Z.)


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