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Burkhard Waldis (1490-1556)

Von einem Quacksalber.

Mitten im Sommer ich einst kam
Nach Holland hin, gen Amsterdam.
Es traf sich, daß eben Jahrmarkt war,
Wie um dieselbe Zeit all Jahr
Gehalten wird; was ich geschaut,
Viel Krämer hatten aufgebaut;
Gar laut von fern einer rufen tät,
Als ob einer gepredigt hätt.
Das Volk lief zu mit großen Haufen,
Ich tat mit andern auch hinlaufen:
Da stund ein Abenteurer dort
Am Platz auf einem höhern Ort,
Der hatt ein Tuch, das war bemalt
Mit Tieren greulicher Gestalt:
Würm, Kröten, Eidechs, Ottern, Schlangen,
Das hat er an ein Spieß gehangen
Und schüttet aus einem Ledersack
Viel kleiner Büchslein mit Theriak
Von Kraut und Wurzeln mancherlei,
Macht gar viel Wort und groß Geschrei.
Ein Korb hat er gesetzt dahin,
Viel kleiner Brieflein waren drin,
Wie Häuslein g'macht und zugedrückt,
Sie war'n mit g'stoßnem Pulver gespickt.
»Schaut, lieben Leut,« rief er gar laut,
»Hier ist ein wunderheilsam Kraut,
Daß ein des Nachts die Flöh nicht beißen;
Ja, wer sich tut desselben fleißen,
Derselb ist frei von solchen bösen
Und kanns mit einem Stüber lösen.«

Das Volk drang zu und war getrost,
Wohl eine Stunde hats gelost,
Viel Geldes hat er da erwischt,
Mit bösem Netz gar wohl gefischt.
Ich blieb da stehn und sah ihn an,
Bis daß das Volk da gar zerrann.
Sein Kraut begann er bald zu sacken,
Wollt eilends sich von dannen packen.
Als er beinah schon fertig war,
Ein altes Weib kam laufen dar,
Die er auch um ihr Geld betrogen,
Und, wie die andern, angelogen.
Sie sprach: »Ich hätts vergessen schier,
Ach, lieber Meister, sagt doch mir,
Wie soll ichs brauchen oder nützen,
Daß ich mich vor den Flöhen mög schützen?«
Er lacht und sprach: »Ihr seid gar spitzig
Und all den andern viel zu witzig,
Um das Kraut hab ich allein heut
Gehabt wohl etlich hundert Kaufleut,
Doch hat mich keiner fragen wollt,
Wie man das Pulver brauchen sollt.
Drum sag ichs Euch auch allein,
Bitt, machts den andern nicht gemein:
Wenn euch ein Floh beginnt zu stechen,
Den greift und tut ihm 's Maul aufbrechen,
Streut ihm das Pulver auf den Zahn,
So stirbt er bald von Stunden an.«


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