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Heinrich Bebel (1475 bis um 1530)

Fester Glaube.

Ein Bäuerlein, das gern zur Kirche lief
Und niemals bei der Predigt schlief,
Vernahm mit gläubigem Gemüte,
Daß Gott der Herr stets hundertfach vergüte
Die Wohltat, die man frommen Herzens tut,
Wenn sie vermehren hilft das Kirchengut.

Der Bauer wälzt in seinem Sinn
Die Worte lange her und hin –
Und da er eine Kuh nur hat im Stalle,
Wird plötzlich ihm die Weisheit offenbar:
Gib deine Kuh dem Pfarr! – In jedem Falle
Gibt Gott dir hundert wieder! Was ein Pfarr
Gepredigt, ist doch immer wahr!

Gedacht, getan! – Der arme Narr
Bringt seine Kuh ins Pfarrhaus, wehrt den Dank
Des guten Mannes ab und blinzelt schlau
Und denkt: Ick weit all wöll, worüm icks tau!

Am Abend drauf – welch wohlbekannter Klang
Ertönt in seinem Stall, welch trautes Muh!!
Er eilt hinaus – allmächtger Gott, hab Dank –
Da steht bei seiner auch des Pfarrers Kuh!
Indes, die Freude währt nicht lang.
Der Pfarrer kommt, Verwahrung einzulegen,
Und spricht: Mein lieber Freund, ich bitte,
Die beiden Kühe gleich zurück gibst du!
Denn deine Kuh hat auf gewohnten Wegen
Vom Weideplatze heimgelenkt die Schritte
Zu ihrem Stall, wie es die Tiere pflegen,
Und mitgenommen auch noch meine Kuh!

Nein! – spricht der Bauer – das ist Gottes Segen!
Ihr sagtets selber in der Predigt mir,
Daß Gott pflegt hundertfältig zu vergelten,
Was man aus gutem Herzen tu!
Drum laß ich meinen Glauben mir nicht schelten:
Ich gab der Kirche gestern eine Kuh,
Heut gab mir Gott die zweite schon dafür
Und nur noch neunundneunzig fehlen mir!

(Z.)


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