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Theodor Fontane (1819-1898)

1. Jan Bart.

(Aus den Gedichten, Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger in Stuttgart.)

Jan Bart geht über den Vlissinger Damm.
»Hür', Katrin, wi trecken tosamm;
En Huus, en Boot, 'ne Zieg' un 'ne Kuh,
Wat mienst, Katrin? Sy miene Fru.«

Katrin an ihrem Friesrock zog:
»Ne, Jan, bist mi nich Mynherr 'noog.«
Der nickt und lacht: »Na, denn adje.«
Und nach Frankreich geht er und sticht in See.

Matrose, Maat, so fängt er an,
Auf der zweiten Reise: Steuermann,
Auf der dritten: Leutnant unter Du Quesne,
Auf der vierten: Flottenkapitän.

Und als es mit England kommt zum Krieg,
Wo Jan Bart erscheint, erscheint der Sieg;
Wie stolz das britische Banner auch weh',
Jan Bart ist Herr und fegt die See.

Heut aber tritt er vor seinen Herrn,
Vor Louis Quatorze. Der sieht ihn gern.
»Willkommen, Jan Bart, in diesem Saal,
Ich ernenn' Euch zu meinem Großadmiral.«

Jan Bart verneigt sich: »Majestät,
Was klug und recht ist, kommt nie zu spät.«
Alles starrt auf den König, der aber lacht, –
Jan Bart hat sich wieder heim gemacht.

Und am Vlissinger Damm, an alter Stell',
Sitzt wieder Katrin auf ihrer Schwell',
Ihren Ältsten hält sie bei der Hand,
Der Jüngste liegt und spielt im Sand.

Er grüßt sie lachend und noch einmal:
»Katrin, ich bin nu Großadmiral,
Katrin, w'rüm biste nich mit mi goahn?«
»Joa, wenn ick't wußt hätt, hätt' ick't doahn.«

2. Veränderungen in der Mark.

(Anno 390 und 1890.)

Warens Germanen, warens Teutonen,
Spreeaufwärts saßen die Semnonen,
Schopfhaarige, hohe Menschengebilde,
Sechs Fuß sie selber und sieben die Schilde.
Neben ihnen in Höfen und Harden
Saßen elbwärts die Longobarden,
Saßen von Laub und Kränzen umwunden
Oderwärts die blonden Burgunden,
Saßen am Bober in Kotten und Kralen,
Zechend und streitend die Vandalen,
Saßen am Saalfluß, auf Wiesen und Fluren,
Den Kreis abschließend, die Hermunduren.
Aber Semnonen, Burgunden, Vandalen,
Alle mußten der Zeitlichkeit zahlen,
Longobarden und Hermunduren,
Alle nach Wallhall aufwärts fuhren, –
Bis hin vor die Weltenesche sie ziehn,
Da lagern sie sich um Vater Odin.
Tick, tick,
Tausend Jahre sind ein Augenblick!

Und als nun Bismarck den Abschied nahm,
Eine Sehnsucht über die Märkischen kam,
Und sie sprachen: »Herr, laß uns auf Urlaub gehn,
Wir möchten die Spree mal wieder sehn,
Die Spree, die Havel, die Notte, die Nuthe,
Den »kranken Heinrich«, die Räuberkute,
Wir sind unsrer fünf und haben wir Glück,
Bis Donnerstag sind wir wieder zurück.«
Odin hat huldvoll sich verneigt, –
Alles zur Erde niedersteigt.

Und zunächst in der Neumark, in Nähe von Bentschen,
Landen sie. »Himmel, was sind das für Menschen!«
Und als sie kopfschüttelnd sich weiterschleppen,
Bis Landsberg, Zielenzig, bis Schwiebus und Reppen,
Spricht einer: »Laßt uns mehr westwärts ziehn.«
Und so westwärts kommen sie nach Berlin.
Am Tore rücken sie sich stramm,
Erst Neuer Markt, die Börse, Mühlendamm,
Dann Spandauer- und dann Tiergartenstraße, –
Wohin sie kommen, dieselbe Rasse.
Sie kürzen freiwillig den Urlaub ab,
In wilde Karriere fällt ihr Rückzugstrab.
Ihr Rücktritt ist ein verzweifeltes Fliehn.
»Wie war es?« fragt teilnahmsvoll Odin,
Und der Hermundure stottert beklommen:
»Gott, ist die Gegend runtergekommen.«

3. Herr von Ribbeck auf Ribbeck.

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, –
Ein Birnbaum in seinem Garten stand;
Und kam die goldene Herbsteszeit,
Und die Birnen leuchteten weit und breit,
Da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: »Junge, wist ne Beer?«
Und kam ein Mädel, so rief er: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb ne Birn.«

So ging es viel Jahre, bis lobesam
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende. 's war Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit,
Da sagte von Ribbeck: »Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab.«

Und drei Tage drauf aus dem Doppeldachhaus
Trugen von Ribbeck sie hinaus;
Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
Sangen »Jesus, meine Zuversicht«,
Und die Kinder klagten, das Herze schwer,
»He is dod nu. Wer giwt uns nu ne Beer?«

So klagten die Kinder. Das war nicht recht,
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht;
Der neue freilich, der knausert und spart,
Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt,
Aber der alte, vorahnend schon
Und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn,
Der wußte genau, was damals er tat,
Als um eine Birn ins Grab er bat;
Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus,
Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.

Und die Jahre gehen wohl auf und ab,
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
Und in der goldenen Herbsteszeit
Leuchtet's wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung über den Kirchhof her,
So flüstert's im Baume: »wiste ne Beer?«
Und kommt ein Mädel, so flüsterts: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick gew di ne Birn«.

So spendet Segen noch immer die Hand
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.


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