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Gottfried Konrad Pfeffel (1736-1809)

1. Der feine Unterschied.

Der alte finstre Lisimon
Sprach jüngst zu seinem lockern Sohn:
»Mein Kind, soll dir das Glück einst blühen,
So mußt du stets die Weiber fliehen.
Es ist ein teuflisches Geschlecht:
Weh dir, wenn sie ins Garn dich ziehen!«
Der Sohn verspricht es dem Papa,
Und küßt, daß es der Alte sah,
Gleich drauf des Gärtners braunes Kätchen.
»Wie,« flucht der Vater, »Bösewicht!«
Erwägst du meine Lehre nicht!«
»O,« rief der Sohn, »das ist ein Mädchen.«

2. Das höfliche Bauernmädchen.

»Wie heißt das sechste Gebote?«
So fragte jüngst beim Kirchenunterricht
Ignaz, der finstere Dorfzelote,
Ein kleines artiges Gesicht.
Die Antwort war: »Ihr sollt nicht ehebrechen.«
»Ei,« rief Ignaz, »wer wird so albern sprechen?
Es heißt: Du sollst nicht ehebrechen.«
Das arme kleine Mädchen warf
Die Augen auf den Katecheten;
»Ich wußte nicht,« versetzt es mit Erröten,
»Daß man den Pfarrer duzen darf«.

3. Der Regent.

In einem Polsterstuhle dehnte
Ein Hofnarr einst sich aus und gähnte;
Zum Unglück kam sein Fürst dazu
Geführt, wie immer, vom Veziere.
Ei, rief er, Kerl, was treibest du?
Ach nichts! sprach Niklas, ich regiere.

4. Der Küster und der Bauer.

Ein Küster trug bei vollem Becher
Trotz einem Baccalaureus
Den Weltbau nach Copernicus
Im Krug den Bauern vor. Ein grauer Zecher
Schlug knirschend auf den Tisch: ei, Herr, war schwatzt er da?
Die Erde soll sich um die Sonne drehen?
Les' er die Schrift: hieß nicht einst Josua
In ihrem Lauf die Sonne stille stehen?
Das ists ja, was ich sagen will;
Seit jenem Tage steht sie still,
Versetzte Doktor Kunz; den Pfarrer möcht ich sehen,
Der aus der Bibel je bewies,
Daß er sie wieder laufen ließ.

5. Die zween Bauern.

Zween Bauern, Hein und Kilian,
Die nachbarlich auf einen Jahrmarkt stiegen,
Durchstrichen einen Wald. Hein ging voran.
Jetzt sah er einen Sack mit Geld im Grase liegen.
Er rafft ihn gierig auf und steckt ihn lächelnd ein.
Das war ein schöner Fund, Herr Vetter Hein!
Sprach Kilian: der hilft uns auf die Beine.
Uns sagt Ihr? wie versteht Ihr das?
Das rechte Wort ist Euch. – Je nun, ich meine
Die Hälfte sei für mich. – Ei Spaß!
Der Fisch ist mein, ich hab ihn ja gefangen,
Rief Hein. Der Vetter ließ die Flügel hangen
Und schlich so stumm, als wär er selbst ein Fisch,
Dem neuen Crösus nach, als schnell aus dem Gebüsch
Ein paar verwegne Räuber sprangen.
Hein klapperte vor Furcht: was fangen wir nun an?
Wir sind verloren! Wir? sprach Kilian;
Ihr irrt Euch, lieber Spießgeselle;
Das rechte Wort ist Ihr. Husch flog er ins Gehölz.
Hein konnte gar nicht von der Stelle.
Die Räuber fielen ihm mit Säbeln auf den Pelz;
Geld oder Blut, hieß es. In Todesangst versenket,
Gab er den Schatz, und obendrein sein Kleid.
Wer, wenn das Glück ihm lacht, an sich nur denket,
Hat keinen Freund in Widerwärtigkeit.


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