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Karl Herloßsohn (1802-1849)

Ballade von den drei Schneidern.

Es kamen drei Schneider wohl an den Rhein
Und kehrten beim Gastwirt zu Ingelheim ein,
Am Rhein, am Rhein.
Sie hatten im Sack keinen Heller mehr,
Doch dürstete jeden von ihnen gar sehr
Nach Wein, nach Wein.

Herr Wirt, wir ha'n keinen Kreuzer Geld,
Doch waren wir weit herum in der Welt,
Am Rhein, am Rhein.
Wir können ein jeder ein Meisterstück,
Das lehren wir ihm, das bringt ihm Glück,
Für Wein, für Wein.

Ihr Burschen, ich will euer Narre nicht sein.
Ich bin ja der Gastwirt von Ingelheim,
Am Rhein, am Rhein.
Und könnt ihr nicht jeder ein Meisterstück,
So brech ich euch jedem von euch das Genick,
Statt Wein, statt Wein.

Der erste nun fing einen Sonnenstrahl
Und fädelt ihn ein in die Nadel von Stahl,
Am Rhein, am Rhein.
Er näht ein zerbrochnes Weinglas zusamm,
Daß man auch die Naht nicht erkennen kann
Im Wein, im Wein.

Der zweite drauf eine Mücke fing,
Die grad über seine Nase ging,
Am Rhein, am Rhein.
Die Mücke, die hat in dem Strumpfe ein Loch,
So klein es auch war, er stopfte es doch,
Für Wein, für Wein.

Der dritte, der nahm nun die Nadel zur Hand
Und bohrte sie mächtig tief in die Wand,
Am Rhein, am Rhein.
Er flog wie ein Blitzstrahl durchs Nadelöhr –
Ich hab es gesehen, bei meiner Ehr,
Beim Wein, beim Wein.

Der Wirt sprach: »So was hab ich noch nie gesehn,
Drum soll euch, ihr Bursch, auch mein Dank nicht entgehn,
Am Rhein, am Rhein.
Er nahm einen Fingerhut, schenkte ihn voll:
Da Burschen, nun sauft euch auch toll und voll
Im Wein, im Wein!


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