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Adolf Wilbrandt (1837-1910)

Ein Wort vom Wein.

Doktor, Ihr seid ein weiser Mann,
Bitte, nehmt ein Glas,
Nicht, daß ich den da Euch preisen kann:
's ist nur Wein vom Faß.
Aber Ihr seht den goldigen Schein:
Das ist die liebende Sonne am Rhein,
Die strahlt,
Die malt
Göttliche Rätsel des Lebens hinein.
Euer Wohlsein, und Glas an Glas!

Doktor, Ihr seid ein weiser Mann:
» Wenig trinken ist gut!
Wer sich freiwillig vergiften kann,
Lebt im Frevelmut!«
Aber die Welt ist so wunderreich:
Gifte hat sie dem Balsam gleich,
Eine Brück'
Zum Glück,
Gehorcht man dem Spruch nur: mäßigt euch.
Schönstes der Gifte, du Rebenblut!

Du der Sonne geliebtestes Kind,
Unsrer Mutter dort,
Die das Leben uns webt und spinnt
Immerfort und fort.
Was sie spinnt, ist des Feuers Glut,
Was sie webt, ist der Seele Mut;
Doch im Wein
Allein,
Der als Sonngold im Kelche ruht,
Spricht sie das feurigst lebendigste Wort.

Durch den Äther, den kalten Traum,
Schwingt die Glut sich heran,
Fernher, leuchtend, wie Wellenschaum
Im Weltozean.
Wo auf der Erd hier ein wund Gemüt,
Wo ein liebendes Herz erglüht,
Ein Klang,
Ein Sang
Werdend durch dichtende Seele zieht,
Sonnglut, dort wird dein Werk getan!

Sonnglut, die mir im Wein erglüht,
Unsrer Mutter Herz,
O wie ziehst du mein froh Gemüt
Hoch himmelwärts.
Doktor, Ihr seid mir ein weiser Mann,
Trinkt Ihr mit mir Euch himmelan!
Uns trifft
Das Gift
An den Schwingen nur, die 's nur segnen kann.
Horch, wie sie rauschen! Es fliegt das Herz!


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