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Matthias Claudius (1740-1815)

1. Die Geschichte von Goliath und David.

War einst ein Riese Goliath,
Gar ein gefährlich Mann!
Er hatte Tressen auf dem Hut
Mit einem Klunker dran,
Und einen Rock von Drap d'argent
Und alles so nach advenant.

An seinem Schnurrbart sah man nur
Mit Grausen und mit Graus,
Und dabei sah er von Natur
Pur wie der – aus.
Sein Sarras war, man glaubt es kaum,
So groß schier als ein Weberbaum.

Er hatte Knochen wie ein Gaul,
Und eine freche Stirn,
Und ein entsetzlich großes Maul,
Und nur ein kleines Hirn;
Gab jedem einen Rippenstoß,
Und flunkerte und prahlte groß.

So kam er alle Tage her,
Und sprach Israel Hohn.
»Wer ist der Mann? Wer wagts mit mir!
Sei Vater oder Sohn,
Er komme her, der Lumpenhund,
Ich boxn nieder auf den Grund.«

Da kam in seinem Schäferrock
Ein Jüngling zart und fein;
Er hatte nichts als seinen Stock,
Als Schleuder und den Stein,
Und sprach: »Du hast viel Stolz und Wehr,
Ich komm im Namen Gottes her.«

Und damit schleudert er auf ihn,
Und traf die Stirne gar;
Da fiel der große Esel hin
So lang und dick er war.
Und David haut in guter Ruh
Ihm nun den Kopf noch ab dazu.

*

Trau nicht auf deinen Tressenhut,
Noch auf den Klunker dran!
Ein großes Maul es auch nicht tut:
Das lern vom langen Mann;
Und von dem kleinen lerne wohl:
Wie man mit Ehren fechten soll.

2. Der Esel.

Hab nichts mich dran zu freuen,
Bin dumm und ungestalt,
Ohn Mut und ohn Gewalt;
Mein spotten und mich scheuen
Die Menschen, jung und alt;
Bin weder warm noch kalt;
Hab nichts mich dran zu freuen,
Bin dumm und ungestalt;
Mußt Stroh und Distel käuen;
Werd unter Säcken alt –
Ach, die Natur schuf mich im Grimme!
Sie gab mir nichts, als eine schöne Stimme.


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