Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Karl Arnold Kortum (1745-1824)

Das Examen (gekürzt aus der Jobsiade).

Nenne mir nun, Jungfer Muse, die Namen
Der geistlichen Herren, welche zum Examen
Aus jeder Gegend der Schwäbischen Welt
Am bestimmten Tage sich eingestellt.

Der erste war der Herr Inspektor,
In der Lehre stark wie ein andrer Hektor,
Ein stattlicher dickgebauchter Mann;
Man sah ihm gleich den Inspektor an.

Seine Verdienste schafften ihm diese Würde;
Er trug übrigens seines Amtes Bürde
Geduldig und mit gar frohem Muth
Und aß und trank täglich gut.

Nach ihm kam der geistliche Assesser,
Ein Mann von Person zwar etwas größer,
Doch an Körper und Waden dünn
Und von etwas mürrischem Sinn.

Er triebe nebst der geistlichen Sache
Verschiedene Stücke aus dem ökonomischen Fache
Und trank nur Bier und schlechten Wein,
Denn seine Einkünfte waren klein.

Auch Herr Krager, ein Mann von hohen Jahren,
In den Kirchenvätern sehr wohl erfahren,
Die er, so oft die Gelegenheit kam,
Seinen Satz zu erweisen, hernahm.

Auch Herr Krisch, ein Mann von guten Sitten,
Ungemein stark in Postillen beritten;
Wobei er sich so gut und noch besser befand,
Als der beste Pfarrer im Schwabenland.

Auch Herr Beff, ein weidlicher Linguiste,
Und im Leben und Wandel ein ziemlicher Christe,
Im Vortrag ein ewiges Einerlei,
Doch niemals gegen Orthodoxei.

Auch Herr Schrei, stark in der Rede,
Weder in Gesellschaft noch auf der Kanzel blöde,
Lebte übrigens munter und frisch
Mit seiner Köchin exemplarisch.

Auch Herr Plotz, ein Mann wie ein Engel,
Er hatte zwar in der Jugend viele Mängel,
Nachdem er aber sein Amt trat an,
Ward er ein gar frommer Mann.

Auch Herr Keffer, nie müde in Lehr und Strafen,
Er nahm sich treulich an seiner Schafen,
Doch fande sich in der Heerde sein
Mancher hartnäckige Bock mit ein.

Als nun die ganze geistliche Schaare
Der hochehrwürdigen Herren beisammen ware,
So setzten, praemissis praemittendis,
Sich alle um einen großen Tisch.

Hieronimus trat mit Zittern und Zagen
Vor die sämmtliche Gesellschaft der weißen Kragen
Und scharrete ihnen demüthig den Gruß.
O weh dir! o weh dir! Hieronimus!

Der Herr Inspektor machte den Anfang,
Hustete viermal mit starkem Klang,
Schnäuzte und räusperte auch viermal sich
Und fragte, indem er den Bauch strich:

Ich, als zeitlicher pro tempore Inspektor
Und der hiesigen Geistlichkeit Direktor
Frage Sie: Quid sit Episcopus?
Alsbald antwortete Hieronimus:

Ein Bischof ist, wie ich denke
Ein sehr angenehmes Getränke
Aus rothem Wein, Zucker und Pomeranzensaft
Und wärmet und stärket mit großer Kraft.

Über diese Antwort des Kandidaten Jobses
Geschah allgemeines Schütteln des Kopfes;
Der Inspektor sprach zuerst: hem! hem!
Drauf die andern secundum ordinem.

Nun hub der Assessor an zu fragen:
Herr Hieronimus! thun Sie mir sagen,
Wer die Apostel gewesen sind?
Hieronimus antwortete geschwind:

Apostel nennt man große Krüge,
Darin gehet Wein und Bier zur G'nüge;
Auf den Dörfern und sonst beim Schmaus
Trinken die durstigen Bursche daraus.

Über die Antwort des Kandidaten Jobses
Geschah allgemeines Schütteln des Kopfes;
Der Inspektor sprach zuerst: hem! hem!
Darauf die andern secundum ordinem.

Nun traf die Reihe Herrn Krager
Und er sprach: Herr Kandidat! sag er,
Wer war der heilige Augustin?
Hieronimus antwortete kühn:

Ich habe nie gehört oder gelesen,
Daß ein anderer Augustin gewesen,
Als der Universitätspedell Augustin;
Er zitierte mich oft zum Prorektor hin.

Über diese Antwort des Kandidaten Jobses
Geschah allgemeines Schütteln des Kopfes;
Der Inspektor sprach zuerst: hem! hem!
Drauf die andern secundum ordinem.

Nun folgte Herr Krisch ohn Verweilen
Und fragte: Aus wie vielen Teilen
Muß eine gute Predigt bestehn,
Wenn sie nach Regeln sollte geschehn?

Hieronimus, nachdem er sich eine Weile
Bedacht, sprach: die Predigt hat zwei Teile;
Den einen Teil niemand verstehen kann,
Den andern Teil aber verstehet man.

Über diese Antwort des Kandidaten Jobses
Geschah allgemeines Schütteln des Kopfes;
Der Inspektor sprach zuerst: hem! hem!
Drauf die andern secundum ordinem.

Nun fragte Herr Beff der Linguiste:
Ob Herr Hieronimus auch wohl wüßte,
Was das hebräische Kübbuz sei?
Und Hieronimus antwortete frei:

Das Buch, genannt Sophiens Reisen
Von Memel nach Sachsen, tut es beweisen,
Daß sie den mürrischen Kübbuz bekam;
Weil sie den reichen Puff früher nicht nahm.

Über diese Antwort des Kandidaten Jobses
Geschah allgemeines Schütteln des Kopfes;
Der Inspektor sprach zuerst: hem! hem!
Drauf die andern secundum ordinem.

Nun kam auch an den Herrn Schreie,
Den Hieronimus zu fragen die Reihe;
Er fragte also: wie mancherlei
Die Gattung der Engel eigentlich sei?

Hieronimus tat die Antwort geben:
Er kenne zwar nicht alle Engel eben,
Doch wär ihm ein blauer Engel bekannt,
Auf dem Schild an der Schenke, zum Engel, genannt.

Über diese Antwort des Kandidaten Jobses
Geschah allgemeines Schütteln des Kopfes;
Der Inspektor sprach zuerst: hem! hem!
Drauf die andern secundum ordinem.

Herr Plotz hat nun fortgefahren
Zu fragen: Herr Kandidate! wie viel waren
Concilia oecumenica?
Und Hieronimus antwortete da:

Als ich auf der Universität studieret,
Ward ich oft vors Konzilium zitieret;
Doch betraf solches Konzilium nie
Sachen aus der Ökonomie.

Über diese Antwort des Kandidaten Jobses
Geschah allgemeines Schütteln des Kopfes;
Der Inspektor sprach zuerst: hem! hem!
Drauf die andern secundum ordinem.

Nun folgte Herr Keffer, der geistliche Herre,
Seine Frage schien zu beantworten sehr schwere,
Sie betraf der Manichäer Ketzerei
Und was ihr Glaube gewesen sei?

Antwort: Ja, diese einfältigen Teufel
Glaubten, ich würde sie ohne Zweifel
Vor meiner Abreise bezahlen noch,
Ich habe sie aber geprellet doch.

Über diese Antwort des Kandidaten Jobses
Geschah allgemeines Schütteln des Kopfes;
Der Inspektor sprach zuerst: hem! hem!
Drauf die andern secundum ordinem.

Die übrigen Fragen, welche man proponieret,
Lasse ich hier aus Mangel des Raumes unberühret;
Denn sonst machte das Protokoll
Wohl mehr als sieben Bogen voll.

Sintemal man noch vieles gefraget,
Worauf Hieronimus die Antwort gesaget
Auf obige Weise Stück vor Stück
Aus Dogmatik, Polemik und Hermeneutik.

Imgleichen sonst noch manche Sachen
Aus der Kirchenhistoria und Sprachen
Und was man einen geistlichen Mann
Sonst wohl zur Prüfung noch fragen kann.

Über alle Antworten des Kandidaten Jobses
Geschah allgemeines Schütteln des Kopfes;
Der Inspektor sprach zuerst: hem! hem!
Drauf die andern secundum ordinem.

Als nun die Prüfung zu Ende gekommen,
Hat Hieronimus einen Abtritt genommen;
Damit man die Sache nach Kirchenrecht
In reife Überlegung nehmen möcht:

Ob es mit gutem Gewissen zu raten,
Daß man in die Klasse der Kandidaten
Des heiligen Ministerii den
Hieronimum aufnehmen könn'.

Es ging also an ein Votieren
Doch ohne vieles Disputieren
Ward man einig alsobald:
Es könne zwar dermal und solchergestalt

Herr Hieronimus es gar nicht verlangen,
Den Kandidaten-Orden zu empfangen,
Jedoch aus besondrer Konsideration
Wollte man stille schweigen davon.

Es hat auch wirklich in vielen Jahren
Kein Fremder etwas davon erfahren,
Sondern jedermann hielt früh und spat
Den Hieronimum für einen Kandidat.


 << zurück weiter >>