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Robert Eduard Prutz (1816-1872)

Der Zecher.

Es war 'mal auf Erden ein muntrer Patron,
Eine ganz kreuzlustige Fliege,
Ihn freute nicht Kirche, ihn freute nicht Thron,
Ihn grämten nicht Kriege noch Siege:
Tief unten saß er in Kellers Grund,
Und zechte und zechte mit durstigem Mund –
Ei prosit, du lustiger Zecher!

Und als es endlich zum Sterben kam –
Ein abscheulich Ding mit dem Sterben! –
Da trank er noch eins mit unendlichem Gram,
Schlug sterbend den Becher in Scherben.
Der Kellner, der weinte die Äuglein sich naß
Und legte ihn sanft in ein Rheinweinfaß –
Gute Nacht, du mein lustiger Zecher!

Drauf als der Welt Ende gekommen war,
Gott Vater saß zu Gerichte,
Da wandelte flugs der Seligen Schar
In den Himmel mit glattem Gesichte;
Doch die, so gelebet in Saus und Braus,
Die wurden dem Teufel ein leckerer Schmaus –
Wie ergehts da dem lustigen Zecher?

Sprach da Gott Vater zu Petrus gewandt:
Wer steht mir denn dort in der Ecken?
Potz Blitz noch, ich glaube, der törichte Fant
Will gar vor dem Herrn sich verstecken?
Auch leuchtet sein Antlitz so flammenrot
Als litt er im voraus die höllische Not!« –
O weh, armseliger Zecher!

Herr Petrus, der bracht ihn geschwind vor den Thron,
Sprach also mit zürnenden Blicken:
»Das ist der leibhaftig verlorne Sohn,
Den magst du zur Hölle nur schicken!
Der hat sich auf Erden nichts Besseres gewußt,
Als Bechergeklirr, als Becherlust.« –
Wie nun, du verlorener Zecher?

Antwortet der Zecher mit heiterem Mund,
Mit sittsamem Neigen und Bücken:
»Du wollest, o Herr, nicht ohne Grund
Mich gleich in den Schwefelpfuhl schicken!
Zwar kann ichs nicht leugnen, ich sage nicht nein,
Wohl liebt ich vor allem, ich liebte den Wein:
Wohl war ich ein lustiger Zecher!

Doch hab ich, o Herr, nicht sündlich gezecht,
Wies die Leute, die törichten, pflegen:
Stets tat ich dem Weine sein treffliches Recht
Und erkannte den himmlischen Segen.
Drum schaut ich die Perlen im funkelnden Wein,
Da dacht ich gleich an die Sternelein:
Ich war ein nachdenklicher Zecher!

Und wenn ich nun erst bei den Sternlein war,
Dann schnell noch ein Gläschen getrunken,
Da wurde der ganze Himmel mir klar,
Da war mir die Erde versunken;
Da hört ich das Jauchzen der Engel schon
Und sah ich dich selber auf deinem Thron:
Da war ich ein gläubiger Zecher!

Fernab von der Welt, in den Keller versenkt,
So hab ich, o Herr, es getrieben,
Hab nie eine menschliche Seele gekränkt,
Kein Glas bin ich schuldig geblieben.
Mein Leben und Weben, es glich ja dem Wein,
So lustig wie er und so hell und so rein,
O, nun sei gnädig dem Zecher!«

Und siehe, der Herr stand auf vom Thron:
»Geh ein zum ewigen Leben!
Wohl warst du auf Erden ein lustger Patron,
Zur Lust auch schuf ich die Reben.
Geh, Petrus, voran und füll ihm das Glas
Aus meinem eigenen Mutterfaß!
Ei, prosit, du seliger Zecher!«


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