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Rudolf Presber (geb. 1868)

1. Märzsonne.

Nun wandr ich über Berg und Tal,
Die Welt steht blühend offen,
Mich hat mit erstem Sonnenstrahl
Der Lenz ins Herz getroffen.

Ich hör das kleine freche Herz
Im dunkeln Brustkorb lachen,
Es weiß, es wird im grünen März
Eine selige Dummheit machen ...

2. Meiers geben einen Schmaus.

Meiers geben einen Schmaus,
Meiers lassen sich nicht lumpen –
Schulzes in demselben Haus
Werden wohl ihr Silber pumpen.
Auf getrieb'nem Schlüsselrand
Eingraviert mit spitzer Nadel
Gar ein Wappenspruch und -band
(Denn Frau Schulze war von Adel!)

Doch mit Schüsseln ist's getan
Lang nicht, soll das Fest gedeihen,
Drum: man wird das Porzellan
Sich von Tante Ida leihen;
Und der gute Onkel Franz
(Der ist ein verwöhnter Esser!)
Spendet gern, zum höhern Glanz,
Seine goldgestielten Messer.

Setzen will ein Gast sich auch,
Daß er kauend sich erfrische.
May & Sohn nach altem Brauch
Leiht die Stühle und die Tische.
Gläser – wo gibt's Gläser her?
Dafür hat man Leihgeschäfte.
Eins bedrückt die Meiers sehr:
Wie steht's um die Küchenkräfte?

Das Diner wird in der Stadt
Zwar bereitet vom Traiteure:
Wenn man keine Köchin hat,
Gibt es dennoch leicht Malheure.
Lehmanns, ziemlich nah versippt,
Dienstbereit in allen Stücken,
Werden, wenn man bloß mal tippt,
Freudig ihre Köchin schicken.

Wer mit der Familie fühlt,
Läßt sich gern zum Fest benutzen:
Onkel Konrads Lieschen spült,
Trinchen wird die Messer putzen.
Vetter Botho (Leutenant)
Hat schon mittags gegen viere
Seinen Burschen Fritz gesandt,
Daß der Esel mit serviere.

Gäste sieht man gern beim Mahl,
Die was sind (sonst wird gestichelt!)
Hugo kennt 'nen General,
Der a. D. ist und gern pichelt.
'ne Baronin (etwas frei),
Lechzt nach Anschluß in Familien,
Onkel Peter schleppt herbei
Einen Konsul aus Brasilien.

Auch ein Dichter kommt zum Fest,
Für die Mädels zum Bestaunen,
Der die Hausfrau leben läßt
(Rhythmisch) hinter den Kapaunen.
Und ein Gärtner schmückt das Haus
Fast zum Paradies auf Erden ...
Meiers geben einen Schmaus –
Himmel, muß das herrlich werden!

3. Hochzeit.

Denkt euch, hei, mit flotten Schimmeln,
Hinten zwei betreßten Lümmeln,
Auf dem Bock ein feister Mohr,
Fuhr ein guter König vor.
Neben ihm ein süßes Weibchen,
Perlchen und Gestein am Leibchen;
Mitten auf dem Busen saß
Rötlich, eigroß, ein Topas,
Der von der Rubinen Schar
Mattblau übergossen war.
Und auf roten Sammetbäckchen
Kleine runde Schönheitsfleckchen.
Krönchen in den blonden Locken
Wippt ganz leise und erschrocken,
Grad als wollt es hier nicht stören,
Wo nur Rosen hingehören.
Und so kommt das mit Gesause,
Himmel – hält vor meinem Hause!
Und der Neger – Chapeau bas
Reißt den Schlag schon auf – Na, na,
Wills zu mir? Es ist zum Schreien!
Pfeilschnell eilen die Lakaien
Übern Damm mit wehnden Schößen –
Dröhnend unter ihren Stößen
Und mit mächtigem Geschnauf
Fährt mein altes Hoftor auf.

Und die Nachbarn, Männer, Fraun
Drängen sich am Gartenzaun,
Staunen König, Mohr und Gaul
An mit aufgeriss'nem Maul;
Und in dieses Prunks Betrachtung
Steig ich sehr in ihrer Achtung.
»Deubel«, Kunz, der Maurer, flucht,
»Wenn ein König ihn besucht,
Ist am Ende an dem Mann,
Recht besehen, doch was dran!«

Meine Köchin, die Kathrine,
Glotzt mit ganz verdutzter Miene,
Als ob sie in nächster Näh
Eine Kuh mit Flügeln säh.
Plötzlich aber, treu und bieder,
Kennt sie ihre Pflichten wieder.
Und den König auf der Schwelle
Hält sie auf mit Blitzesschnelle;
Und sie ruft – die Diener stutzen –
»Bitte, Schuhe abzuputzen!«

Ich – ich weiß nicht, wies gekommen,
Und wo ich den Mut genommen,
Daß ichs in der Ordnung finde,
Wenn mit einem holden Kinde
Eines Königs Majestät
Schnaufend meine Treppe geht.
Und ich stell mich also nur
Selbstbewußt in Positur.
Und der König reicht zum Kusse
Mir die Hand. Bei dem Genusse
Denk ich, ob das Töchterlein
Möchte auch so gnädig sein?
Doch der König winkt. Der Mohr
Schiebt ihm einen Sessel vor.
Meinen Schreibtischsessel hol ich
Für das Fräulein, das sich wohlig,
Wie von Müdigkeit besiegt,
In die weichen Kissen schmiegt.
Minchen, Trinchen und Mathilde,
Die ihr euer Kunstgebilde
Einst zur Weihnacht mir beschert,
Ahnt ihr wohl, wer sie beschwert?

Und der König spricht: »Die kleine
Königliche Hoheit, meine
Vielgeliebte Tochter liest,
Was Euch aus der Feder fließt.
Eurer Lieder Goldschnittbände
Kamen auch in ihre Hände.
Zweie hab ich selbst besorgt
Und den dritten ausgeborgt,
Denn das ew'ge Bücherkaufen,
Geld brauchts, um davonzulaufen!
Die Prinzessin von Kastilien
Liest seit lange in Familien
Jedem will'gen Lauscherohr
Eure kecke Lyrik vor.
Die Prinzessin Santa Cruz
(Sie war nie was Rechtes nutz)
Kauft, wie ich verläßlich hör,
Eure Locken vom Friseur.
Was soll nun mein Töchterlein
Heut so viel vernünftiger sein?
Jene färben schon die Haare,
Sie ward gestern siebzehn Jahre,
Und da möchts zur Liebe Zeit sein;
Kurz – sie will von Euch gefreit sein!«

Eh ich noch das Wort begriffen,
Hat der feiste Mohr gepfiffen,
Und ein Knab und noch ein Knabe
Kommt mit holder Morgengabe:
Perlen, Spenzer für das Rümpfchen,
Ohrgehäng und seidne Strümpfchen,
Goldne Schalen, seidne Bänder
Und in einem Moraständer,
Lächelnd königlich und mild,
Meines Schwiegervaters Bild.
Fächer aus dem Schwanz der Pfauen,
Stickereien indscher Frauen,
Diamantbesetzte Kettchen
Und zuletzt – ein Himmelbettchen,
Schwellend wie das Paradies
Und mit Daunen aus Paris.

Und mein Herz, das freut sich kindlich;
Bloß der Kopf ist etwas schwindlig.
Und ich stammle: »Majestät,
Ob das ohne Priester geht?
Zwar ich selbst bin nicht so frumm,
Aber später geht das dumm;
Heute ist der Pfaff bereit,
Morgen macht er Schwierigkeit.«

Zum Prinzeßchen sieht der König;
Und sie lächelt erst ein wenig,
Darauf sagt sie leis und tonlos:
»Mein Papa ist konfessionslos.«
Und der Mohr meint ziemlich roh:
»Laß det man. Et jeht auch so!«

Lieblich setzen die Schalmein
Jetzt zu frohem Brautmarsch ein.
Und der gute König flennt:
»'s ist halt immer ein Moment,
Wenn das Kind man, das man liebt,
Einem in die Arme gibt,
Der uns Alte setzet matt,
Weil er Lied und Jugend hat.«

Zwölf schlägt leis mein Schreibtischührchen,
Als der König uns zum Türchen
Unsrer Kammer führt und lang
Küßt dem Mägdlein Mund und Wang.
»Kleine, hab ichs gut gemacht?«
Und Prinzeßchen weint und lacht,
Reißt sich los und läuft hinein,
Wo in Kästchen schon und Schrein
Blondgelockte, flinke Knaben
Unsern Schatz geschichtet haben:
Perlen, Spenzer für das Rümpfchen,
Ohrgehäng und seidne Strümpfchen,
Fächer aus dem Schwanz der Pfauen,
Stickereien indscher Frauen,
Diamantbesetzte Kettchen –
Und im Winkel steht das Bettchen.

Draußen mit vier flotten Schimmeln,
Hinten zwei betreßten Lümmeln,
Auf dem Bock ein Mohrensohn,
Fährt der König allein davon.
Seines Reiches Kleinod und Glück
Blieb an meinem Hals zurück,
Wischt vom Aug ein Abschiedstränchen,
Nestelt aus dem Haar ihr Krönchen,
Sieht vom Bett mir schelmisch zu:
»Lieber, gelt, wir sagen du?«

*

Meine Köchin, die Kathrine,
Stand am Bett mit finstrer Miene,
Hat mich durch das Wort erschreckt:
»Dreimal hab ich schon geweckt!
Draußen lacht die Sonne froh –
Gehn Sie heut nicht aufs Bureau?«

(Aus »Dreiklang«, 3. Aufl. 1908. Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhdlg. Nachflg., Stuttgart.)

4. Saisonbeginn.

Nun schreits von allen Litfaßsäulen
Im buntesten Reklamechor,
Nun rast den müden Droschkengäulen
Das neugeputzte Auto vor.
Nun blinken listger die Laternen
Im Nebeneingang, rot entfacht,
Und flirtend mit den ewgen Sternen
Wankt der Provinzler durch die Nacht.
Nun tritt im meterhohen Kragen
Der Sänger vor die Lauscher hin,
Um etwas Blödes vorzutragen –
Saisonbeginn.

Nun geht die Kochfrau Hasen spicken,
Die Stütze rührt den Trüffelbrei,
Der Hausherr hört die Uhren ticken
Und gähnt und denkt: wärs bloß vorbei!
Nun schwenkt der Leutnant seine Beine,
Der Bratenbarde schwingt sein Glas,
Im tiefen Ausschnitt sitzt die Kleine
Und wartet – lieber Gott, auf was?
Nun rückt der Jean im Klub die Tische,
Nun malt um Wange sich und Kinn
Mühsam Frau Cohn die Jugendfrische –
Saisonbeginn.

Nun trietzt der Otto Brahm den Hauptmann,
Daß er was Neues von sich läßt,
Und in der Schumannstraße staubt man
Den Shakespeare ab zum Siegesfest.
Nun freut sich diebisch der und jener,
Weil Halbe eine Schlacht verlor,
Nun führt im Zirkus die Trakehner
Ein dicker Kommissionsrat vor.
Nun wird ein neuer Sherlock drohen,
Und manches Schauspiel ohne Sinn
Läßt peinlich die Kritik verrohen –
Saisonbeginn.

Nun kommen Vettern an und bleiben
Drei Wochen als Logierbesuch,
Und bitterböse Menschen schreiben
Schon wieder mal ein Weihnachtsbuch.
Nun wird mich oft die Frage quälen:
Trägt denn die Höflich eignes Haar?
Und immerzu muß ich erzählen,
Wo ich in diesem Sommer war.
Ein neuer Ausschank lockt die Leute,
Man war schon da, man geht noch hin,
Und nächstens macht er wieder Pleite –
Saisonbeginn.

Wie schön die Zeit, da um die Dampfer
Die Welle spritzt, die Möwen schrien.
Gebt her den Frack, er riecht nach Kampfer
Und bestenfalls nach Naphthalin.
Der weiße Schlips will gar nicht sitzen –
Wenn das ein gutes Ende nimmt, –
Man trägt nach oben jetzt die Spitzen,
Hat Felix Poppenberg bestimmt.
Warum hab ich nicht abgeschrieben?
Verdammter Sklave, der ich bin,
Ich werd mich wieder mal verlieben –
Saisonbeginn.

(Aus »Traum und Tanz«. Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger, Stuttgart.)


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