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2. Zieten aus dem Busch

(Altmärkische Sage.)

Man glaube nicht, daß dem alten Zieten
Die Bataillen immer so leicht gerieten!
Zwar war er für sich beständig ein Held,
Wies' keinen bessern gibt in der Welt;
Doch schlugen sich manchmal seine Soldaten
Nicht allzugern mit den Kroaten:
Die hieben mit ihren Pallaschsäbeln
Rechts, links und quer nach allen Schnäbeln!
– So war es einsmals arriviert,
Daß man urplötzlich retiriert;
Auch war es fürwahr kein Kinderspiel:
Es waren vom Feind dreimal so viel. –
Das Zietensche Korps riß aus, riß aus
Wie vor dem Kater Murr die Maus. –
»Halt!« rief der alte Zieten, »halt!« –
Ja warte nur, wir halten bald! –
Da war durchaus kein Stillestand:
Hei! gings den Berg hinab ins Land.
Da rief der Zieten: »Halt!« mit Gewalt
Und hexte: da ward sein Korps zum Wald,
Und jeder Preuße ward ein Baum.
Den Leuten war das wie im Traum.
Die Bäume hingen, wie just man lief,
Nach einer Seite krumm und schief
Und standen fest gebannt allda:
Mußt jeder erwarten, was geschah.

Nun kamen erst die Kroaten an,
Dann die Panduren Mann bei Mann
Und hielten allda verwundert sehr:
Sie sahen keine Preußen mehr.
»Hei!« dachten sie, »die sind nun fort,
Und hier ist ein hübscher schattiger Ort.« –
Da sprangen sie von den Rossen herab
Und warfen ab, was ihnen zu knapp,
Und banden an manchen preußschen Ast
Die Pferde sich an und hielten Rast.
– Die Preußen müssen als Bäume stehn,
Die Pferde treten sie auf die Zehn:
Sie lägen lieber auch im Gras.
– Dem alten Zieten macht es Spaß;
Man hört ihn murmeln: »So ists recht!
Ausreißern geht mit Recht es schlecht!«
Er hielt sie wie in Band und Schloß;
Am meisten aber sie eins verdroß:
Die Kroaten hatten die Jungfern geraubt
Und küßten sie dort ganz unerlaubt:
Auch hieben sie manchen Zacken herunter
Und zündeten Feuer an, das knatterte munter.
Sie jauchzten und brieten frohen Mutes
Für sich und ihre Liebsten Gutes;
Der alte Zieten aber lachte,
Im Busch versteckt, dazu und dachte:
»Das mögen die Preußen ein Weilchen riechen,
Bevor sie mir aus den Bäumen kriechen!«
– Doch als eine Weile vergangen war
Und mancher Braten braun und gar,
Da hatt' er sie in rechter Wut
Und blies in seine Hand: »Tut, tut!«
Auf einmal war der Wald da fort,
Und alles voll Preußen an dem Ort,
Und heraus mit »Hurra!« im selben Husch
Kam auch der Zieten aus dem Busch:
Und wurden so die Panduren geschmiert,
Daß keiner davon mehr exerziert,
Noch manövriert, noch massakriert,
Noch je mit Jungfern karessiert! –

Laut hat der alte Fritz gelacht,
Als man das Stück ihm hinterbracht.

3. Blücher am Rhein.

Die Heere blieben am Rheine stehn:
Soll man hinein nach Frankreich gehn?
Man dachte hin und wieder nach,
Allein der alte Blücher sprach:
»Generalkarte her!
Nach Frankreich gehn ist nicht so schwer.
Wo steht der Feind?« – »Der Feind? – dahier!«
»Den Finger drauf, den schlagen wir!
Wo liegt Paris?« – »Paris? – dahier!«
»Den Finger drauf! das nehmen wir!
Nun schlagt die Brücken übern Rhein!
Ich denke, der Champagnerwein
Wird, wo er wächst, am besten sein!«

4. Satan und der schlesische Zecher.

Auf Schlesiens Bergen da wächst ein Wein,
Der braucht nicht Hitze, nicht Sonnenschein;
Obs Jahr ist schlecht, obs Jahr ist gut,
Da trinkt man fröhlich der Trauben Blut.

Da lag ich einmal vor dem vollen Faß:
»Ein anderer soll mir trinken das!«
So rief ich, »und solls der Satan sein,
Ich trink ihn nieder mit solchem Wein!«

Und wie noch das letzte Wort verhallt,
Da Satans Tritt durch den Keller schallt:
»He Freund, gewinn ich, so bist du mein!«
So ruft er, »ich gehe die Wette ein.«

Da wurde manch Fläschchen leer gemacht,
Wir tranken beinah die halbe Nacht,
Da lallt der Teufel: »Hör' Kamerad,
Beim Fegefeuer! jetzt hab ichs satt.

Ich trank wohl vor hundert Jahren in Prag
Mit den Studenten Nacht und Tag,
Noch mehr zu trinken solch sauren Wein,
Müßt ich ein geborner Schlesier sein.«

5. Die Heinzelmännchen.

Wie war zu Köln es doch vordem
Mit Heinzelmännchen so bequem!
Denn war man faul: ... man legte sich
Hin auf die Bank und pflegte sich:
Da kamen bei Nacht,
Ehe mans gedacht,
Die Männlein und schwärmten
Und klappten und lärmten
Und rupften
Und zupften
Und hüpften und trabten
Und putzten und schabten,
Und eh ein Faulpelz noch erwacht,
War all sein Tagewerk ... bereits gemacht.

Die Zimmerleute streckten sich
Hin auf die Spän und reckten sich;
Indessen kam die Geisterschar
Und sah, was da zu zimmern war:
Nahm Meißel und Beil
Und die Säg in Eil:
Sie sägten und stachen
Und hieben und brachen,
Berappten
Und klappten
Visierten wie Falken
Und setzten die Balken,
Eh sichs der Zimmermann versah,
Klapp, stand das ganze Haus ... schon fertig da.

Beim Bäckermeister war nicht Not,
Die Heinzelmännchen backten Brot,
Die faulen Burschen legten sich –
Die Heinzelmännchen regten sich –
Und ächzten daher
Mit den Säcken schwer!
Und kneteten tüchtig
Und wogen es richtig
Und hoben
Und schoben
Und fegten und backten
Und klopften und hackten:
Die Burschen schnarchten noch im Chor:
Da rückte schon das Brot, ... das neue, vor!

Beim Fleischer ging es just so zu:
Gesell und Bursche lag in Ruh.
Indessen kamen die Männlein her
Und hackten das Schwein die Kreuz und die Quer.
Das ging so geschwind,
Wie die Mühl im Wind:
Die klappten mit Beilen,
Die schnitzten an Speilen,
Die spülten,
Die wühlten
Und mengten und mischten
Und stopften und wischten.
Tat der Gesell die Augen auf:
Wapp! hing die Wurst schon da im Ausverkauf!

Beim Schenken war es so: es trank
Der Küfer, bis er niedersank,
Am hohlen Fasse schlief er ein,
Die Männlein sorgten um den Wein
Und schwefelten fein
Alle Fässer ein.
Und rollten und hoben
Mit Winden und Kloben,
Und schwenkten
Und senkten
Und gossen und panschten
Und mengten und manschten.
Und ehe der Küfer noch erwacht:
War schon der Wein geschönt und fein gemacht!

Einst hatte ein Schneider große Pein:
Der Staatsrock sollte fertig sein;
Warf hin das Zeug und legte sich
Hin auf das Ohr und pflegte sich.
Da schlüpften sie frisch
In den Schneidertisch,
Und schnitten und rückten
Und nähten und stickten,
Und faßten
Und paßten
Und strichen und guckten
Und zupften und ruckten,
Und eh mein Schneiderlein erwacht:
War Bürgermeisters Rock bereits gemacht.

Neugierig war des Schneiders Weib,
Und macht sich diesen Zeitvertreib:
Streut Erbsen hin die andre Nacht,
Die Heinzelmännchen kommen sacht;
Eins fähret nun aus,
Schlägt hin im Haus,
Die gleiten von Stufen
Und plumpen in Kufen,
Die fallen
Mit Schallen,
Die lärmen und schreien
Und vermaledeien!
Sie springt hinunter auf den Schall
Mit Licht: husch, husch, husch, husch! – verschwinden all!

O weh, nun sind sie alle fort,
Und keines ist mehr hier am Ort!
Man kann nicht mehr wie sonsten ruhn,
Man muß nun alles selber tun!
Ein jeder muß fein
Selbst fleißig sein
Und kratzen und schaben
Und rennen und traben
Und schniegeln
Und biegeln
Und klopfen und hacken
Und kochen und backen.
Ach, daß es noch wie damals wär!
Doch kommt die schöne Zeit nicht wieder her!


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