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Joseph Frhr. v. Eichendorff (1788-1857)

1. Ratskollegium.

Der Vorsitzende:

Hochweiser Rat, geehrte Kollegen!
Bevor wir uns heute aufs raten legen,
Bitt ich, erst reiflich zu erwägen,
Ob wir vielleicht, um Zeit zu gewinnen,
Heut sogleich mit dem Raten beginnen,
Oder ob wir erst proponieren müssen,
Was uns versammelt und was wir alle wissen? –
Ich muß pflichtmäßig voranschicken hierbei,
Daß die Art der Geschäfte zweierlei sei:
Die einen sind die eiligen,
Die andern die langweiligen.
Auf jene pfleg ich cito zu schreiben,
Die andern können liegen bleiben.
Die liegenden aber, geehrte Brüder,
Zerfallen in wichtge und höchstwichtge wieder.
Bei jenen – nun – man wird verwegen,
Man schreibt nach amtlichem Überlegen
More solito hier, und dort ad acta,
Diener rennen, man flucht, verpackt da,
Der Staat floriert und bleibt im Takt da.
Doch werden die Zeiten so ungeschliffen,
Wild umzuspringen mit den Begriffen,
Kommt gar, wie heute, ein Fall, der eilig
Und doch höchstwichtig zugleich – dann freilich
Muß man von neuem unterscheiden:
Ob er mehr eilig oder mehr wichtig. –
Ich bitte, meine Herrn, verstehn Sie mich richtig!
Der Punkt ist von Einfluß. Denn wir vermeiden
Die species facti, wie billig, sofort,
Find't sich der Fall mehr eilig als liegend.
Ist aber das Wichtige überwiegend,
Wäre die Eile am unrechten Ort.
Meine Herren, Sie haben nun die Prämissen.
Sie werden den Beschluß zu finden wissen.

2. Die Kleine.

Zwischen Bergen, liebe Mutter,
Weit den Wald entlang,
Reiten da drei junge Jäger
Auf drei Rößlein blank, lieb Mutter,
Auf drei Rößlein blank.

Ihr könnt fröhlich sein, lieb Mutter!
Wird es draußen still:
Kommt der Vater heim vom Walde,
Küßt euch, wie er will, lieb Mutter,
Küßt euch, wie er will.

Und ich werfe mich im Bettchen
Nachts ohn Unterlaß,
Kehr mich links und kehr mich rechts hin,
Nirgends hab ich was, lieb Mutter,
Nirgends gab ich was.

Bin ich eine Frau erst einmal,
In der Nacht dann still,
Wend ich mich nach allen Seiten,
Küß, soviel ich will, lieb Mutter,
Küß, soviel ich will.


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