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Bernger von Horheim (um 1190)

Gelogen!

Mir ist so zumute, als flög ich dahin
Durch die Welt, die zu eigen mir sei.
Wohin ich mich sehne, dahin fliegt mein Sinn,
Und das Fernste bringt Sehnsucht herbei.
So schnell ist, so stark und an Kräften so frei
Mein Geist, und schnell eil ich von hinnen,
Kein Tier kann im Wald mir entrinnen –
Doch es ist nur gelogen, gelogen:
Ich bin ja so schwer wie Blei!

Rasen vor Freuden möcht ich gar bald,
Weil von Liebe mir Liebes geschehn.
Wär weit und breit mir zu eigen ein Wald,
Ich wollt mich drin köstlich ergehn.
Dort sollt unter Bäumen man fröhlich mich sehn,
Doch muß ich die Freude bezwingen.
Ich kann ja nicht dichten, nicht singen –
Denn es ist nur gelogen, gelogen:
Mein Herzleid muß ich gestehn.

Den Spähern und Merkern vergeht wohl ihr Mut,
Neid gönne ich ihnen und Haß.
War meine Fraue so reich doch und gut,
Daß statt Leiden ich Freuden besaß.
Ein Herzeleid, das ich niemals vergaß,
Das hab ich gottlob! überwunden,
Die Sorgen sind alle verschwunden –
Doch es ist nur gelogen, gelogen:
Voll ist meiner Schmerzen Maß!

Mir wird nun gelingen, was nie mir gelang,
Bei der Süßen Huld seis gesagt.
Nun mach es die Merker verzweifelt und bang,
Wenn nie mehr mein Mund sich beklagt.
Mein Herzeleid hat ja die Traute verjagt,
Nun darf ich zu Freuden mich wenden,
Mein Traum gottlob! wird nun enden –
Doch es ist nur gelogen, gelogen:
Am Herzen die Trauer mir nagt!

(Z.)


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