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Erasmus Alberus (1500-1553)

Von einer Stadtmaus und Feldmaus.

Es war einst eine städtische Maus,
Die ging spazieren ins Feld hinaus,
Wie sie nun lief im Feld umher,
Sieht sie eine Feldmaus ungefähr,
Und spricht: »Gott Willkomm, Stadtmaus zart!
Wie kommst du her in unsre Art?
Ich bitt dich, sei mein lieber Gast.«
Die Stadtmaus sprach: »Ich achts nicht fast.«
Die Feldmaus lief, hatt keine Ruh,
Bis daß ein Mahl sie richtet zu.
Was sie hat für den Winter kalt
Gesammelt, holt herfür sie bald.
Also ward leer der Speisenkast,
Daß sie tat gütlich solchem Gast.
Da solches nun war also geschehn,
Dasselb alles unangesehn,
Die Stadtmaus hat ein stolzen Mut,
Daß sie nicht nahm dies alls vor gut;
Sie sprach: »Es ist doch nichts allhie,
Solch große Armut mocht ich nie.
Ja, glaub mir frei, was ich dir sag,
Wir Stadtmäus haben bessre Tag.«
Sie macht sich auf und wollt nach Haus
Und nahm mit sich die Ackermaus,
Daß sie beweiset mit der Tat,
Was sie mit Worten gerühmet hat.
Die Stadtmaus bracht her Brot und Weck,
Darnach bringt sie auch Käs und Speck,
Gut Eierkuchen und viel mehr:
Sie lobten wohl und zechten sehr.
Die Stadtmaus zu der Feldmaus sprach:
»Hab ich nicht allhie gut Gemach?«
»Ja, wahrlich!« sagt die Ackermaus,
»Die Sach gefällt mir überaus.«
Sie hat das Wort kaum ausgeredt,
Der Hausknecht vor der Kammer steht;
Die Mäus bald hörten das Gerüssel,
Das macht der Hausknecht mit dem Schlüssel;
Es ward den armen Mäusen bang,
Sie konnten sich nicht säumen lang,
Die arm' Feldmaus wußt nicht wohin,
Sie dacht in ihrem trüben Sinn:
»Wär ich in meiner Armut blieben,
Ich würd jetzt nicht umhergetrieben.«
Des Orts war sie ganz unbekannt,
Bis sie zuletzt ein Mausloch fand.
Der Hausknecht ging wieder hinaus,
Da lief hervor die städtisch Maus
Und rief die Feldmaus auch herzu:
»Mein liebe Feldmaus, wo bist du?
Herzu, herzu! es hat kein Not!«
Der Feldmaus war, als wär sie tot,
Das arme Mäuslein zittert sehr,
Ihr war nicht wohl bei solcher Ehr.
Die Stadtmaus sprach: »Sei nur getröst,
Es hat kein Not, wir sind erlöst.
Ich bring dir einen Ganzen aus,
Drum tu mir gleich, mein liebe Maus.«
Der Gast sah übel zu den Sachen,
Wollt sich nicht lassen fröhlich machen.
Der Wirt sprach: »Warum traurig sein?
Du machst dir selbst ein eigen Pein.«
Da fing die Stadtmaus an und sang,
Auf daß die Zeit nicht wurde lang,
Sie sang: »Nun woll'n wirs heben an,
Zu singen von einem Gumpelmann.«
Sie sang auch von schön Elselein:
Noch wollt der Gast nicht fröhlich sein.
Der Feldmaus war noch immer bang,
Darnach die Stadtmaus wieder sang:
»Bocks Emser, lieber Domine,
Man sollt euch sagen parcite!
Sagt mir, von wannen kommt Ihr her?«
Darnach das Lied vom Felbiger
Und Cocleus von Wendelstein,
»Ein Gans zu Frankfurt an dem Main,«
Zuletzt vom Wasser und vom Wein.
Noch wollt der Gast nicht fröhlich sein,
Sondern er hub zu fragen an,
Ob sie solch Angst müßt oft bestahn.

Die Stadtmaus sprach: »Es ist wohl wahr,
Daß mir oft drohet solch Gefahr;
Ich kehr mich aber nicht daran,
Verachtung muß man drüber han.«
Die Feldmaus sprach: »Ist dem also,
Bei dir würd ich wohl nimmer froh,
Die gute Tag sind so getan,
Daß ich wär lieber fern darvon.
Die köstlich Speis, wie michs ansicht,
Die ist mit Honig zugericht,
Inwendig ist sie voller Gallen:
Solch gute Tag mir nicht gefallen.
Mit Frieden ist mir lieber zwar
Mein Armut als bei der Gefahr
Dein gute Tag in solcher Pracht:
Du liebe Maus, hab gute Nacht!«


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