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Theobald Nöthig (geb. 1841)

1. Die Erfindung der Buchdruckerkunst.

Lange grübelte als Drucker
Gutenberg, der arme Schlucker;
Schon tat ihm der Schädel weh,
Endlich kam er zur Idee
Durch ein Mittagschläfchen.

In dem Erntemond des Jahres
Vierzehnhundertvierzig war es,
Als, zu satt von einer Gans,
Er zu Straßburg auf der Schanz,
In den Busch sich legte.

Doch die Mücken und die Fliegen
Ließen ihn nicht ruhig liegen;
Nebst dem Jucken auf der Haut
Störte seinen Schlummer laut
Ein verdächtig Schmatzen.

Also kam's, daß er belauschte,
Wie ein Pärchen Küsse tauschte.
Anfangs unterhielt ihn das,
Später kitzelte ihn was,
Und er mußte niesen.

Als beruhigt seine Nase,
Sah er nur noch »Ihn« im Grase
»Sie« war vom Posaunenton
Seiner Niese schnell entflohn,
Kam sobald nicht wieder.

Der Verlassene, ein Schreiber,
Langweilte sich ohne Weiber,
Schnitt drum seine Liebespein
In den nächsten Baumstamm ein
Mit dem Federmesser.

Zog aus seiner linken Tasche
Eine dicke Rotweinflasche,
Sog daran mit Leidenschaft,
Rieb auch in die Rinde Saft
Und ging seufzend weiter.

Bald darauf kam die Ersehnte,
Die den Liebsten dort noch wähnte,
Lehnte sich ein Weilchen bloß
Atemlos und ahnungslos
In die rote Tinte.

Ließ dann flüchtig ihre Glieder
Auf der nahen Sitzbank nieder,
Wo schon oft sie Ruhe fand,
Und die kürzlich Künstlerhand
Blendend weiß gestrichen.

Wenn auch dort kaum zwei Minuten
Ihre vollen Formen ruhten,
So genügte doch die Zeit
Und die Preßgeschicklichkeit,
Kunstdruck zu vollenden.

Als sie aufsteht, prägt in fetter
Schrift sich ab jedwede Letter:
Ihrer Kleider Hinterteil
Druckt ein Herz, durchbohrt vom Pfeil,
Blutig, drunter: Anna!

Gutenberg rief, als er diesen
Buntdruck sah: »Jetzt ists bewiesen!
Was im Traume längst ich sah,
Wurde Wahrheit. Heureka,
Nun bin ich unsterblich!«

Und weil so der Liebesengel
Ihm verholfen zum Preßbengel,
Zog er draus den weisen Schluß:
Daß für alle Zeit beim Kuß –
Nachdruck sei gestattet.

2. Den besten Ingenieuren.

Daß man alle Ingenieure
Lobe, liebe und verehre,
Das wünscht jeder Brave hier,
Doch im Liede wollen wir
Nur die Besten preisen.

Rühmen wollen wir die Meister,
Die erfinderischen Geister,
Die, was wir mit Maß und Zahl
Erst erreicht nach langer Qual,
Augenblicklich fanden.

Die schon manche Kettenbrücke
Schlugen zu der Menschheit Glücke
Und dazu als Material
Weder Eisenglied noch Stahl,
Sondern Liebe brauchten.

Die den Telegraph erfanden,
Sich auf Lichteffekt verstanden,
Deren Augen angefacht,
Eh noch Siemens dran gedacht,
Manch elektrisch Feuer.

Die zum Heil für Herz und Magen
Praktisch Wärme übertragen,
Aber manchen Hitzkopf auch
Unterweisen im Gebrauch
Eines Regulators.

Die, bis daß die Dielen trieften,
Sich in das Problem vertieften,
Trotz der Männer Groll und Hohn
Schwemmkanalisation
Überall zu schaffen.

Die als weise Architekten
Längst die Zauberkunst entdeckten,
Wie man baut den eigenen Herd
Und ein Heim, das Goldes wert,
Auch in ärmster Hütte.

Hoch die liebenswürdgen Meister,
Die erfinderischen Geister,
Hoch das reizendste Patent,
Das die Weltgeschichte kennt,
Dieses Glas: Den Damen!

3. Die deutsche Eiche.

Die Eiche gilt als deutscher Baum.
Fragt man: Warum? ihr wißt es kaum.
Man gerbt mit Eichenlohe
Das Leder weich, das rohe.
Und darum hat es sich vererbt,
Daß, wo man sich das Fell gegerbt,
Ob in Italia,
Ob in Amerika,
Ob bei den Türken Kriegsgeschrei,
Der deutsche Landsknecht war dabei.

Die Eiche gilt als deutscher Baum,
Weil an der Blätter grünem Saum
Die kleinen Äpfel kleben,
Die uns die Tinte geben;
Weshalb im Himmel unser Land
Auch stets schwarz angeschrieben stand,
Bis unser Wilhelm Rex
Scharf ausradiert den Klex,
Den altersschwachen Bundestag,
Der wie ein Alp auf Deutschland lag.

Die Eiche gilt als deutscher Baum,
Weil, wenn im grünen Waldesraum
Schon längst die Vögel singen,
Ihr erst die Knospen springen.
Als letztes sinkt das welke Laub
Vor ihren Zweigen in den Staub;
Noch steigt empor die Kraft,
Dann strotzt der Stamm von Kraft,
Und siegreich bricht ihr grünes Reis
Der Kämpfer sich als Ehrenpreis.

Wie früh im Lenz der Eichenbaum
Lag Deutschland auch im Wintertraum.
Ringsum die Länder stiegen
Empor in neuen Siegen,
Nur seine Krone lag im Staub,
Und bot dem Feinde leichten Raub.
Da plötzlich fliegt wie Spreu,
Das dürre Laub zur Streu,
Und Ruhmesblätter künden stolz
Den Frühlingstrieb im deutschen Holz.

4. Eiszeit.

Es würde kälter auf Erden,
So lehrte jüngst ein Beweis,
Und nach Jahrtausenden werden
Hier Berge glänzen von Eis.

Seehunde werden sich kosen
Bei dreißig Grad unter Null,
Wo jetzt jungfräuliche Nasen
Spazieren in leichtem Mull.

Eisbären werden sich tummeln
Und wohlig wälzen im Schnee,
Wo honigsammelnde Hummeln
Jetzt schwärmen im blühenden Klee.

Walfische werden sich schaukeln
Im stürmischen Wogenprall,
Wo Schmetterlinge gaukeln
Und flötet die Nachtigall.

Ihr liebt darüber zu scherzen,
Mir scheint dies ernst und gerecht.
Wurden denn wärmer die Herzen?
Schritt fort das Menschengeschlecht?

Warum soll Allmutter Erde
Nach langem, fruchtlosem Schweiß
Nicht sehnen sich, daß sie werde
Auch wieder allmählich zu Eis?

5. Zum 22. März 1897.

Vor hundert Jahren hielt der Lenz
Mit seinen Räten Konferenz.
Er sprach: So kann's nicht weiter gehn,
Für Deutschland muß etwas geschehn!
Dort schürt der Neid von neuem Streit;
Wißt ihr nicht Rat zur Einigkeit? –

Den Räten fiel jedoch nichts ein
Und Regen, Wind und Sonnenschein
Bemerkten nur: Das sei nicht leicht,
Das hätte noch kein Fürst erreicht.
Zuletzt erklärten alle drei,
Den Deutschen nicht zu helfen sei.

Da rief der Lenz: Ich wag es doch
Und schaffe mir den Helden noch,
Dem einst wie Siegfried es gelingt,
Daß er der Zwietracht Drachen zwingt.
Sorgt nur dafür, daß seinerzeit
Mein Samenkorn zur Frucht gedeiht.

Drauf schuf er jenes Königskind,
Dem alle Deutschen dankbar sind.
Und Regen, Wind und Sonnenschein
Lud er dazu als Paten ein.
Sie raunten jeder einen Spruch
Dem Täufling übers Wickeltuch.

Verheißungsvoll der Regen sprach:
Wasch ab mit Heldenblut die Schmach!
Der Wind erhob die Stimme dann:
Fach Flammen der Begeistrung an!
Mag einst, so schloß der Sonnenschein:
Durch Nacht zum Licht! dein Wahlspruch sein!

Wohl kam der Lenz noch oft ins Land,
Bevor er reif sein Saatfeld fand.
Schon war das Königskind ein Greis,
Eh' es vollbrachte das Geheiß;
Doch herrlich ist der Traum enthüllt
Und jener Patenspruch erfüllt.

Der Zollernaar zur Sonne stieg
Und kreiste fort von Sieg zu Sieg.
Der Kaiserkrone stolze Zier
Bracht er als Brautschmuck, Deutschland, dir.
Dein nennst du wieder wie zuvor,
Was deutsche Schwachheit einst verlor.

Was aber bringen wir als Lohn
Dem heimgegangnen Königssohn,
Dem Kaiser, dessen Heldenbild
Uns heute strahlt als Ruhmesschild?
Laßt uns bedacht nur darauf sein,
Daß dieses Kleinod bleibe rein.

6. In feiner Gesellschaft.

War in bester Gesellschaft heute,
Sah und hörte nur was mich freute.
Alles betrug sich wahr und natürlich
Und doch nicht unfein und ungebührlich.
Brauchte dabei keinen Chapeauclaque,
Weder weiße Glacés noch Frack,
Durfte nicht Komplimente machen
Und die fadesten Witze belachen,
Ward auch von all den Genüssen nicht krank,
Sparte mir Zeche, Trinkgeld und Dank.
Sprich, wie hast du das angefangen?
Freund, ich bin in den Wald gegangen.

7. Novemberlied.

Der Wald wird still. Von dem Idyll,
Das einst als Angebinde
Der Lenz ihm schrieb, nur übrig blieb
Ein welkes Blatt im Winde.
Grau zieht vom Meer der Nebel her
Und webt den Trauerschleier.
Das ist die Zeit, dem Ernst geweiht
Der stillen Totenfeier.

Ach, laut genug mahnt uns der Zug,
Der bleiche, bange, lange;
Sein: nimmermehr! macht wieder schwer
Das Herz und feucht die Wange. –
Doch nicht hinab auf Graus und Grab
Laßt uns trübsinnig schauen,
Nein, froh hinauf und mit Glückauf
Heut hellem Stern vertrauen!

Dem Stern, der warm in Not und Harm
Strahlt auch dem ärmsten Schlucker,
Und allemal wie Sonnenstrahl
Der herben Frucht reift Zucker.
Der, wenn auch oft uns unverhofft
Die Rosen all erfrieren,
Doch sorgt dafür, daß unsre Tür
Noch grüne Maien zieren.

Hoch der Humor! wer ihn erkor,
Den Stern der wahren Weisen,
Kann wohl mit Fug im Wandelflug
Der Zeit sich glücklich preisen.
Kein trüber Tag, kein Wetterschlag
Macht den zum Weltverächter,
Der sie bezwingt und auf sich schwingt
Mit göttlichem Gelächter.

8. Das Glück.

Das Glück gleicht oft dem Schlingel,
Der nachts vor deinem Haus
Zum Scherz reißt an der Klingel,
Und dann – kneift aus.

Wer über solches Treiben
Sich ärgert, ist ein Tor.
Du mußt ans Haus nur schreiben:
Hier wohnt Humor.

9. Das Leben.

Bilde dir nur nicht ein:
Leben sei Sonnenschein!
Mußt dich bescheiden,
Leben heißt leiden,
Ist, rückwärts gelesen,
Nur »Nebel« gewesen.

10. Noch einmal das Leben.

Nur ein Spiel ist unser Leben,
Kaum empfinden wir Genuß,
Sehen wir es schon entschweben
Und das Glöcklein läutet Schluß!
Drum den Augenblick erfasse,
Wo das Glück dein Stichwort gibt.
Träumend nicht die Zeit verpasse,
Bis herab der Vorhang schiebt.
Schaffe, liebe und genieße,
Daß dein Leben mit Applaus
Einst als Lustspiel heiter schließe
Und du lächelnd gehst nach Haus.


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