Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Gustav Theodor Drobisch (1811-1882)

Der Bescheid.

In einem kleinen Städtchen kamen,
Im Gasthof zu dem weißen Schwan,
Einst mit der Post ein Amtsgerichtsrat,
Ein Predger und ein Leutnant an.

Sie speisten ganz vergnügt und heiter,
Das Zimmer war so ziemlich nett,
Doch fanden sie am Ende leider
In diesem nur ein einzig Bett;
Und keiner wollte sich bequemen,
Mit einer Streu vorlieb zu nehmen.

Und immer ernster ward der Handel,
Es nahm das Streiten überhand;
Der Krieger stand im bloßen Hemde
Wild kämpfend an des Bettes Rand
Und focht für seine Lagerstätte
Weit kühner als fürs Vaterland.

Herangelockt durch dies Manöver,
Trat jetzt der Wirt zur Tür herein.
Der Richter schrie, der Schnauzbart tobte,
Doch endlich kam man überein:
Der Wirt des Hauses möge richten
Und solle, um den Streit zu schlichten,
Hier kompetenter Richter sein.

»Ich sitze schon seit fünfzehn Jahren«
Begann der Richter – »im Senat«.
»Ich liege schon seit zwanzig Jahren«,
Erwidert mit zerzausten Haaren
Gar schneidig in gereiztem Ton
Der Krieger – »dort in Garnison.«

»Und ich« – fiel jetzo ganz bescheiden
Im Hintergrund der Pastor ein –
» Steh schon seit fünfundzwanzig Jahren
Im Dienst des Herrn von Kirchenhain.«

»Nun, da sind wir ja außer Zweifel«,
Begann süß lächelnd jetzt der Wirt –
»Wem man von diesen werten Gästen
Das Bett jetzt zuerteilen wird.
Sie haben gesessen – Sie gelegen,
Wie ich aus dem Bericht ersehn,
Da unterdessen der Herr Pastor
Seit vielen Jahren mußte stehn.

Da müssen Sie nun selbst bekennen,
Hier muß man recht und billig sein
Und räumen schnell von Rechtes wegen
Das Bett dem Seelenhirten ein.«


 << zurück weiter >>