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Herr Steinmar (1251-1276)

Schlemmerlied eines verzweifelten Liebhabers.

Da sie mir nicht lohnen will,
Ob mein Singen nie schwieg still,
Will ich Lob erzeigen
Nur dem Herbste, der mein Leid
Fortnimmt und des Maien Kleid
Schüttelt von den Zweigen.
Denn mir ist bekannt die alte Märe,
Daß ein Minnesängerling
Nur ein armer Märtrer wäre.
Einst war ich ein Märtrer auch –
Hei! das laß ich jetzt und schlemme,
Wie es Brauch!

Herbst, nimmst du dich meiner an,
Rühm ich dich auch wie ich kann
Vor dem Wonnemaien.
Schütze mich vor Sehnsuchtsnot;
Seit dein Gebewein ist tot,
Nimm mich dummen Laien
Drum an seiner Statt in dein Gesinde. –
Steinmar ja, das will ich tun,
Wenn ich erst einmal nur finde,
Daß dein Leid zum Preis mir scholl! –
Hei! ich singe, daß wir alle
Werden voll!

Herbst, nun höre, wie ichs lieb!
Du als Wirt uns Fische gib,
Mehr noch als zehn Sorten.
Ente, Rebhuhn, Gans, Schwein, Krebs,
Schinken, Wurst, Pfaubraten gebs,
Wein aus welschen Orten:
Reichlich trage auf und lasse füllen!
Ob es Becher, Schüssel sei,
Bis zum Grund will ichs enthüllen.
Darum, Wirt, hab Sorge nicht!
Hei! im Wein wird schweren Herzen
Leicht und licht! –

Was du gibst, das würze scharf,
Schärfer als man sonst wohl darf,
Daß vor Magenhitze
Man nach Kühlung brennt so toll
Wie der Glut je Rauch entquoll,
Und man also schwitze,
Daß vor Durst und Gier der Gaumen sieche,
Bis vom würzigen Wein der Mund
Gleich der Apotheke rieche.
Macht mich aber stumm der Wein –
Hei! dann, Wirt, gieß mir aus Freundschaft
Nochmal ein!

Wirt, mein Schlund ist offen stets;
Hinter ohne Schlagbaum gehts,
Was du bringst an Speise!
Auch ein Mühlrad hab ich drein,
Das durch Wein gedreht will sein;
Meinen Schlund ich preise,
Denn die größte Gans schluckt er geschwinde.
Darum, Herbst, mein Trautgesell,
Nimm mich auf in dein Gesinde!
Auf die Rippen sich mir schwingt,
Hei! die Seele, weil sie ungern
Nur ertrinkt!

(Z.)


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