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Karl Friedrich Kretschmann (1738-1809)

Der Witwer.

Einst lebt in seinem Dörfchen, arm,
Doch frisch und flink und sonder Harm,
Hans, Namens Ohnesorgen.
Kaum hatt er von der Hand ins Maul;
Doch diese Hand war nimmer faul
Zum Abende vom Morgen.
Drum fand er ohne viel Gebet,
Was in der vierten Bitte steht.

Nicht lange blieb das Bett ihm leer;
Er nahm ein Weib, so flink wie er.
Nun gings durch zwei paar Hände!
Er hatte eignen Herd, dazu
Bald eine schöne bunte Kuh;
Sein Glück schien sonder Ende:
Denn ihn erfreuten Weib und Rind
Durch manches Kalb, durch manches Kind.

Doch kurz nur stand sein Wohlfahrtsbau.
Es starb die flinke junge Frau
Im dritten Wochenbette.
Ein harter Schlag kam stracks hinzu,
Er fand die schöne bunte Kuh
Erstickt im eignen Fette.
Das war dem Armen doch zu viel!
Er wußte seines Grams kein Ziel.

Da saß er auf der Ofenbank
Mit Gott und Welt und sich im Zank,
Und greinte bittre Zähren,
Je zwei um zwei: für Seelenruh
Der flinken Frau, der bunten Kuh. –
Die Nachbarn alle wehren
Mit Trost und Rat der Traurigkeit.
Umsonst! Sie blieb so lang wie breit.

Jetzt sprach der Schulze Martin: »Freund,
Nur nicht verzagt, nur nicht gegreint!
Wenn Gott nahm, nimm du wieder!
Ich wüßt ein hübsches Rundgesicht.
Ei sieh! Dort geht sie, irr ich nicht,
Im roten Sonntagsmieder.
Du kennst doch Muhme Greten? Sprich!
Die wär ja wohl ein Trost für dich.«

Hans seufzte still. Da nahm das Wort
Der Ludimoderator Kort:
»Das Grab ist allen erblich,
Was sein muß, nun das muß, Freund Hans,
Sei's Mann und Frau, sei's Kuh und Gans.
Wir alle sind ja sterblich!
Doch, weißt du was? Mein Hannel ist
Schon mannbar über Jahresfrist.«

Doch Witwer Hans schwieg immer noch,
Er seufzte, greinte fort: und doch
Umdrängten ihn die Wichte.
Der eine hatt' ein Schwesterlein,
Der zweit' ein Mündel zu verfrein,
Der dritte seine Nichte;
Dann Enkel, Pate, Schwägerin;
Es war wie Jahrmarkt rings um ihn.

Nun kam auch noch der Bader Tropf,
Rasierte Witwerbart und Kopf,
Und sprach: »Freund, braucht bei Zeiten!
Ich hätte was, das hilft geschwind;
Es ist mit mir Geschwisterkind
Und heißt – Susanne Veiten.
Sie dient bei mir ums Brot statt Lohn,
Ein braves Mensch! Rasiert auch schon!«

Da ward Hans endlich wild. Er sprang
Empor von seiner Ofenbank
Und rief: »Ihr sollt euch schämen!
Mir starb die Frau, und – seid ihr toll? –
Ist kaum ins Grab hinein: so soll
Ich schon zehn andre nehmen?
Mir starb die Kuh: doch gebet ihr
Mir auch nicht einen Schwanz dafür!«


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