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Gottfried August Bürger (1747-1794)

1. Der Kaiser und der Abt.

Ich will euch erzählen ein Märchen gar schnurrig
Es war mal ein Kaiser; der Kaiser war kurrig;
Auch war mal ein Abt, ein gar stattlicher Herr;
Nur schade! sein Schäfer war klüger als er.

Dem Kaiser wards sauer in Hitz und in Kälte:
Oft schlief er bepanzert im Kriegsgezelte:
Oft hatte er kaum Wasser zu Schwarzbrot und Wurst;
Und öfter noch litt er gar Hunger und Durst.

Das Pfäfflein, das wußte sich besser zu hegen,
Und weidlich am Tisch und im Bette zu pflegen.
Wie Vollmond erglänzte sein feistes Gesicht.
Drei Männer umspannten den Schmerbauch ihm nicht.

Drob suchte der Kaiser am Pfäfflein oft Hader.
Einst ritt er mit reisigem Kriegesgeschwader,
In brennender Hitze des Sommers vorbei.
Das Pfäfflein spazierte vor seiner Abtei.

»Ha,« dachte der Kaiser, »zur glücklichen Stunde!«
Und grüßte das Pfäfflein mit höhnischem Munde:
»Knecht Gottes, wie gehts dir? Mir deucht wohl ganz recht,
Das Beten und Fasten bekomme nicht schlecht.

Doch deucht mir daneben, Euch plage viel Weile.
Ihr dankt mirs wohl, wenn ich Euch Arbeit erteile,
Man rühmet, Ihr wäret der pfiffigste Mann,
Ihr höret das Gräschen fast wachsen, sagt man.

So geb ich denn Euren zwei tüchtigen Backen
Zur Kurzweil drei artige Nüsse zu knacken.
Drei Monden von nun an bestimm ich zur Zeit,
Dann will ich auf diese drei Fragen Bescheid.

Zum ersten: Wann hoch ich, im fürstlichen Rate,
Zu Throne mich zeige im Kaiserornate,
Dann sollt Ihr mir sagen, ein treuer Wardein,
Wieviel ich wohl wert bis zum Heller mag sein?

Zum zweiten sollt Ihr mir berechnen und sagen:
Wie bald ich zu Rosse die Welt mag umjagen:
Und keine Minute zu wenig und viel!
Ich weiß, der Bescheid drauf ist Euch nur ein Spiel.

Zum dritten noch sollst du, o Preis der Prälaten,
Aufs Härchen mir meine Gedanken erraten.
Die will ich dann treulich bekennen; allein
Es soll auch kein Titelchen Wahres dran sein.

Und könnt Ihr mir diese drei Fragen nicht lösen,
So seid Ihr die längste Zeit Abt hier gewesen;
So laß ich Euch führen zu Esel durchs Land,
Verkehrt, statt des Zaumes den Schwanz in der Hand.« –

Drauf trabte der Kaiser mit Lachen von hinnen.
Das Pfäfflein zerriß und zerspliß sich mit Sinnen.
Kein armer Verbrecher fühlt mehr Schwulität,
Der vor hochnotpeinlichem Halsgericht steht.

Er schickte nach ein, zwei, drei, vier Un'vers'täten,
Er fragte bei ein, zwei, drei, vier Fakultäten,
Er zahlte Gebühren und Sporteln vollauf.
Doch löste kein Doktor die Fragen ihm auf.

Schnell wuchsen, bei herzlichem Zagen und Pochen,
Die Stunden zu Tagen, die Tage zu Wochen,
Die Wochen zu Monden; schon kam der Termin!
Ihm wards vor den Augen bald gelb und bald grün.

Nun sucht er, ein bleicher hohlwangiger Werther,
In Wäldern und Feldern die einsamsten Örter.
Da traf ihn, auf selten betretener Bahn,
Hans Bendix, sein Schäfer, am Felsenhang an,

»Herr Abt,« sprach Hans Bendix, »was mögt Ihr Euch grämen?
Ihr schwindet ja wahrlich dahin, wie ein Schemen.
Maria und Joseph! Wie hotzelt Ihr ein!
Mein Sixchen! Es muß Euch was angetan sein.« –

»Ach, guter Hans Bendix, so muß sichs wohl schicken.
Der Kaiser will gern mir am Zeuge was flicken,
Und hat mir drei Nüss' auf die Zähne gepackt,
Die schwerlich Beelzebub selber wohl knackt.

Zum ersten: Wann hoch er im fürstlichen Rate,
Zu Throne sich zeiget im Kaiserornate,
Dann soll ich ihm sagen, ein treuer Wardein,
Wieviel er wohl wert bis zum Heller mag sein.

Zum zweiten soll ich ihm berechnen und sagen:
Wie bald er zu Rosse die Welt mag umjagen?
Und keine Minute zu wenig und viel!
Er meint, der Bescheid darauf wäre nur Spiel.

Zum dritten, ich ärmster von allen Prälaten,
Soll ich ihm gar seine Gedanken erraten:
Die will er mir treulich bekennen: allein
Es soll auch kein Titelchen Wahres dran sein.

Und kann ich ihm diese drei Fragen nicht lösen,
So bin ich die längste Zeit Abt hier gewesen;
So läßt er mich führen zu Esel durchs Land,
Verkehrt, statt des Zaumes den Schwanz in der Hand.« –

»Nichts weiter?« erwidert Hans Bendix mit Lachen,
»Herr, gebt Euch zufrieden, das will ich schon machen.
Nur borgt mir Eur Käppchen, Eur Kreuzchen und Kleid;
So will ich schon geben den rechten Bescheid.

Versteh ich gleich nichts von lateinischen Brocken,
So weiß ich den Hund doch vom Ofen zu locken.
Was ihr euch, Gelehrte, für Geld nicht erwerbt,
Das hab ich von meiner Frau Mutter ererbt.«

Da sprang wie ein Böcklein der Abt vor Behagen.
Mit Käppchen und Kreuzchen, mit Mantel und Kragen
Ward stattlich Hans Bendix zum Abte geschmückt,
Und hurtig zum Kaiser nach Hofe geschickt.

Hier thronte der Kaiser im fürstlichen Rate,
Hoch prangt er mit Zepter und Kron, im Ornate:
»Nun sagt mir, Herr Abt, als ein treuer Wardein,
Wieviel ich jetzt wert bis zum Heller mag sein?« –

»Für dreißig Reichsgulden ward Christus verschachert;
Drum gäb ich, so sehr Ihr auch pochet und prachert,
Für Euch keinen Deut mehr, als zwanzig und neun,
Denn einen müßt Ihr doch wohl minder wert sein.« –

»Hum,« sagte der Kaiser, »der Grund läßt sich hören,
Und mag den durchlauchtigen Stolz wohl bekehren.
Nie hätt ich, bei meiner hochfürstlichen Ehr!
Geglaubet, daß also spottwohlfeil ich wär.

Nun aber sollst du mir berechnen und sagen:
Wie bald ich zu Rosse die Welt mag umjagen?
Um keine Minute zu wenig und viel!
Ist dir der Bescheid darauf auch nur ein Spiel?« –

»Herr, wenn mit der Sonn' Ihr früh sattelt und reitet,
Und stets sie in einerlei Tempo begleitet,
So setz ich mein Kreuz und mein Käppchen daran,
In zweimal zwölf Stunden ist alles getan.« –

»Ha,« lachte der Kaiser, »vortrefflicher Haber!
Ihr füttert die Pferde mit Wenn und mit Aber.
Der Mann, der das Wenn und Aber erdacht,
Hat sicher aus Häckerling Gold schon gemacht.

Nun aber zum dritten, nun nimm dich zusammen!
Sonst muß ich dich dennoch zum Esel verdammen.
Was denk ich, das falsch ist? Das bringe heraus!
Nur bleib mir mit Wenn und mit Aber zu Haus!« –

»Ihr denket, ich sei ja der Abt von Sankt Gallen. –«
»Ganz recht! und das kann von der Wahrheit nicht fallen.« –
»Sein Diener, Herr Kaiser! Euch trüget Eur Sinn:
Denn wißt, daß ich Bendix, sein Schäfer nur bin!« –

»Was Henker! Du bist nicht der Abt von Sankt Gallen?«
Rief hurtig, als wär er vom Himmel gefallen,
Der Kaiser mit frohem Erstaunen darein;
»Wohlan denn, so sollst du von nun an es sein!

Ich will dich belehnen mit Ring und mit Stabe,
Dein Vorfahr besteige den Esel und trabe!
Und lerne fortan erst quid Juris verstehn!
Denn wenn man will ernten, so muß man auch sän.« –

»Mit Gunsten, Herr Kaiser! Das laßt nur hübsch bleiben!
Ich kann ja nicht lesen, noch rechnen und schreiben;
Auch weiß ich kein sterbendes Wörtchen Latein.
Was Hänschen versäumt hat, holt Hans nicht mehr ein.« –

»Ach, guter Hans Bendix, das ist ja recht schade!
Erbitte demnach dir ein andere Gnade!
Sehr hat mich ergötzet dein lustiger Schwank;
Drum soll dich auch wieder ergötzen mein Dank.« –

»Herr Kaiser, groß hab ich soeben nichts nötig;
Doch seid Ihr im Ernst mir zu Gnaden erbötig,
So will ich mir bitten zum ehrlichen Lohn
Für meinen hochwürdigen Herren Pardon.« –

»Ha, bravo! Du trägst, wie ich merke, Geselle,
Das Herz, wie den Kopf, auf der richtigsten Stelle.
Drum sei der Pardon ihm in Gnaden gewährt,
Und obendrein dir ein Panis-Brief beschert:

Wir lassen dem Abt von St. Gallen entbieten:
Hans Bendix soll ihm nicht die Schafe mehr hüten.
Der Abt soll sein pflegen, nach unserm Gebot,
Umsonst, bis an seinen sanftseligen Tod.«

2. Der Hund aus der Pfennigschenke.

Es ging, was Ernstes zu bestellen,
Ein Wanderer seinen stillen Gang,
Als auf ihn los ein Hund, mit Bellen
Und Rasseln vieler Halsbandschellen,
Aus einer Pfennigschenke sprang.
Er, ohne Stock und Stein zu heben,
Noch sonst sich mit ihm abzugeben,
Hob ruhig weiter Fuß und Stab,
Und Kliffklaff ließ vom Lärmen ab.

Des Wegs kam auch mit Rohr und Degen,
Flink, wohlgemut, keck und verwegen,
Ein Herrchen Krauskopf her spaziert.
Kliffklaff setzt an, und hoch tuschiert
Hält von dem Hunde sich das Herrchen.
Und Herrchen Krauskopf ist ein Närrchen;
Fängt mit dem Klaffer Händel an,
Greift fix nach Steinen in der Runde
Und schleudert, was er schleudern kann,
Und flucht und prügelt nach dem Hunde.
Der Köter knirscht in jeden Stein,
Zerrt bald an meines Herrchens Rocke,
Bald an dem Degen, bald am Stocke,
Beißt endlich gar ihm in das Bein,
Und bellt so wütig, daß mit Haufen
Die Nachbarn alle, groß und klein,
Zu Fenstern und zu Türen laufen,
Die Buben klatschen und juchhein
Und hetzen gar noch obendrein.
Nun fing sichs Herrchen an zu schämen,
Umsonst so sehr sich abzumühn.
Er mußte sachte sich bequemen,
Um dem Halloh sich zu entziehn,
Wohl fürbaß seinen Weg zu nehmen
Und einzustecken Hohn und Schmach.
Denn alle Straßenbuben gafften
Und alle Klaffkonsorten klafften
Noch weit zum Dorf hinaus ihm nach.

Dies Fabelchen führt Gold im Munde:
Weicht aus dem Rezensentenhunde!

3. Ständchen.

Mit Lied und Leier weck ich dich;
Gib acht auf Lied und Leier!
Der wache Leiermann bin ich,
Schön Liebchen, dein Getreuer!
Schleuß auf den hellen Sonnenschein
Der himmelblauen Äugelein!

Durch Nacht und Dunkel komm ich her,
Zur Stunde der Gespenster.
Es flimmert längst kein Lämpchen mehr
Durch stiller Hütten Fenster.
Schon lange ruhte süß und fest
Was Lieb und Sehnsucht ruhen läßt.

Auf seiner Gattin Busen wiegt
Sein müdes Haupt der Gatte,
Wohl an die liebste Henne schmiegt
Der Hahn sich auf der Latte;
Der Sperling unterm Dache sitzt
Bei seiner trauten Sie anitz.

Wann ist, o wann auch mir erlaubt,
Daß ich an dich mich schmiege?
Daß ich in süße Ruh mein Haupt
Auf deinem Busen wiege?
O Priesterhand, wann führest du
Mich meinem süßen Bräutchen zu?

Wie wollt ich dann herzinniglich
So lieb, so lieb dich haben!
Wie wollt ich, o wie wollt ich mich
In deinen Armen laben!
Geduld! Die Zeit schleicht auch herbei.
Ach, Liebchen, bleib mir nur getreu!

Nun, liebe Seele, gute Nacht!
Dich wolle Gott bewahren!
Was Gott bewahrt, ist wohl bewacht
Vor Schrecken und Gefahren.
Ade! Schleuß wieder zu den Schein
Der himmelblauen Äugelein!

4. Der arme Dichter.

Ein Dichter, rund und feist bei Leibe,
Mit einem Antlitz, lang wie breit
Und glänzend wie des Vollmonds Scheibe,
Sprach einst von seiner Dürftigkeit
Und schimpfte brav auf teure Zeit.

»Das tun Sie bloß zum Zeitvertreibe!«
Rief einer aus der Kompagnie;
»Denn dies Gedeihn an Ihrem werten Leibe
Und Ihr Gesicht, die schöne Vollmondsscheibe,
Herr Kläger, zeugen wider Sie!« –
»Das hat sich wohl!« seufzt der Poet geduldig.
»Doch, Gott gesegn' ihn! meinen Bauch« –
Sanft strich er ihn – »und diesen Vollmond auch
Bin ich dem Speisewirt noch schuldig.«


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