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Joseph Willomitzer (1849-1900)

(Aus Willomitzer: Humoresken in Vers und Prosa, Hesses Volksbücherei.)

1. Schüttelreime eines Urlaublosen.

Beinah ein jeder Gaul der Pflicht,
Wie fügsam und wie fromm er sei,
Macht, daß er nicht zusammenbricht,
Vier Wochen sich im Sommer frei.
Wohl jedem, welcher fern von Prag
Sich einen Sommersitz erwählt,
Wo ihm Herr Kohn nicht Tag für Tag
Denselben faulen Witz erzählt!
Wohl dem, der sich zum Aufenthalt
(Der Tschech, daß er ihn hätt', er wollt'
Es gern) erkor den Böhmerwald –
Besonders, wenn das Wetter hold!
Wohl dem, der schwärmt für Bier und Kunst
Und sich in München niederläßt,
Wo das Gefühl der Schicksalsgunst
Ihm bald die Augenlider näßt!
Wohl dem auch, der Tirol besucht,
Wo's mächtig ringsumher erschallt,
Weil zornentbrannt der Bischof flucht:
»Daß keiner mir den Scherer halt'!«
Wohl dem, der sich den Hochgenuß
Der Reise in die Schweiz erringt,
Wo man per Bahn sich, statt zu Fuß,
Der »Jungfrau« Gunst bereits erschwingt.
Doch während mancher Sommerplan
Sich nur aufs feste Land erstreckt,
Zieht's viele nach dem Ozean,
Wo schmeichlerisch den Strand er leckt,
Und wo der Badegast ins Meer
Im Herrenbad voll Wonne sinkt,
Indes vom Damenbade her
Sein Weib im Glanz der Sonne winkt.
Wärs just nicht seine, die dort prunkt,
Was liegt daran? – Den Prüden sei's
Gesagt, daß ich in diesem Punkt,
Den zwanglos heitren Süden preis'!
Dort trennt das schönere Geschlecht
Vom starken man im Wasser nicht,
Und wie im Karpfenteich der Hecht
Fährt dort umher manch nasser Wicht,
Daß man an Böcklins Bilder denkt. –
Doch ach! Im Sehnsuchtsfluge flieht
Fernhin mein Denken. – Heimgelenkt
Es jetzt im matten Fluge zieht.
Ich kenne keinen, der verstockt
Noch fronen im Bureau gewollt,
Wenn Berg und Wald im Sommer lockt
Und fern des Meeres Woge rollt.
Manch Sommerreise-Pracht-Plakat
Winkt höhnisch mir, zu beißen an.
Im Hintergrunde pfeift's jetzt grad':
Es pfeift auf mich die Eisenbahn!

2. »Es waren zwei Königskinder ...«

Dem Röslein gleich im Blumentöpfchen,
So sitzt die Jungfrau festgebannt.
Sie seufzet bang – das blasse Köpfchen
Neigt sich, gestützt von schmaler Hand.

Doch plötzlich hebt sich mit dem Mieder
Ihr scharfgeschnittenes Profil,
Denn wagend naht der Jüngling wieder,
Den nie sein Wagen führt zum Ziel.

Und mit dem Blicke seiner Augen,
Der hoffnungslos zu wagen klagt,
Will sich ihr Blick zusammensaugen,
Der, was sie fühlt, zu sagen wagt.

Ach, würde doch der Tag erscheinen,
Da ich mit dir enteilen dürft'!
So sagt ihr Aug', das an dem seinen
In flüchtigem Verweilen schlürft.

Jedoch in seines Auges Blitzen
Die Worte klar zu lesen sind:
Ach könnt' ich doch geruhig sitzen
An deiner Seite, süßes Kind!

So wiederholt sich oftmals täglich
Des Glückes kurzer Flammenschein;
Die beiden lieben sich unsäglich
Und können nie beisammen sein!

Auf des Geschicks ruhloses Treiben
Wirft dieses Lied ein scharfes Licht:
Die Jungfrau will nicht sitzen bleiben –
Der Jüngling will's – und darf es nicht!

Wie Ahasver der Wanderjude,
So muß er schweifen hin und her.
O Jungfrau in der Tabaksbude,
O armer Tramwaykondukteur!

3. Seelenbündnis.

Ich öffne zögernd ihren Brief.
Der kleine Brief, was tut er kund?
Vielleicht nimmt es Mathilde schief,
Daß ich sie lieb aus Herzensgrund.
Vielleicht hat sie mein Flehn erhört,
Vielleicht ist all mein Glück zerstört?
Ich seufzte tief,
Bevor mein Blick das Blatt durchlief ... –

Sie schreibt: »Wir wollen Freunde sein
Wie Goethe und die Frau von Stein!«
Da ruf' ich jubelnd: Frisch voran!
Dem Glück will ich entgegenziehn.
Im Flug trägt mich die Pferdebahn
Zu meiner Göttin Tempel hin.
»Komm an mein Herz, du süßes Glück!«
Ruf ich ihr zu. Sie weicht zurück
Und staunt mich an:
»Wie könnt Ihr mir so stürmisch nahn?
Wir wollen doch nur Freunde sein
Wie Goethe und die Frau von Stein.«

Und nun erzählt sie mir genau,
Was sie gelernt im Pensionat
Vom Seelenbündnis jener Frau
Mit Goethe, dem Geheimen Rat,
Wie tadellos und einwandfrei
Der zarte Bund gewesen sei. –
»Mathilde, schau,
Was du da sagst, ist mir zu blau.
So wird es nicht gewesen sein,
Denn Goethe, der war nicht von Stein!«

Da widersprach sie hochgemut,
So ging die Rede hin und her.
An Worten gab es eine Flut,
Ein weites, sturmbewegtes Meer.
Es schwoll die Flut, es wuchs der Zank,
Bis blutig flammend die Sonne sank ...
Und kurz und gut:
Dann küßten wir uns in Liebesglut
So ganz allein im Kämmerlein
Wie Goethe und die Frau von Stein.


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