Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Welch Getümmel, welch Gezeter
      
 Auf dem Himmelsrasengrund!
      
 »Heil'ger Peter, heil'ger Peter!«
      
 Schallt's aus Engelskindermund.
»Heil'ger Peter, schau dort unten
      
 Blinkt die Ostersonne klar;
      
 Eier sucht, die süßen, bunten,
      
 Unsrer Erdgeschwister Schar.
Am Kristallmeer Harfe spielen
      
 Müssen wir den ganzen Tag,
      
 Sieh nur unsrer Händchen Schwielen
      
 Von dem ew'gen Saitenschlag!
An dem glitzernden Gewässer
      
 Gönn uns auch einmal Vakanz,
      
 Dann gefällt's uns künftig besser
      
 Noch bei dir im Wolkenkranz.
Locke her mit Zaubermunde
      
 Uns den Has' im Frühlichtstreif,
      
 Mit dem großen Schlüsselbunde
      
 Klopf ihm klirrend auf den Schweif!
Hei, dann läßt er auf der Wiese
      
 Willig fallen Ei um Ei,
      
 Daß es in dem Paradiese
      
 Lustig wie auf Erden sei.«
Das geflügelte Gelichter
      
 Hüpft und scherzt nach Genienart;
      
 Petrus zieht den Mantel dichter,
      
 Brummt was schmunzelnd in den Bart. 
      
Heimlich einen Korb voll Sterne
      
 Schafft er her, ein Überfluß!
      
 Füllt gar in Kometenkerne
      
 Marzipan und Zuckerguß.
In die Sträucher, ins Gestäude
      
 Steift er da und dort den Tand,
      
 Jung wird ihm das Herz vor Freude,
      
 Lachend klatscht er in die Hand.
Wie sie schwärmen, wie sie suchen!
      
 Welch Gejubel, welch Geschrei!
      
 Einen ganzen Sternenkuchen
      
 Schleppt ein Puttchen purzelnd bei.
Rührend ist es anzuschauen,
      
 Dieses sel'ge Kinderfest,
      
 Bis entdeckt war auf den Auen
      
 Jedes grasverborgne Nest.
Heilige in langen Zügen
      
 Treibt die Neugier auf den Plan,
      
 Und das herzlichste Vergnügen
      
 Hat der liebe Gott daran.
Meines Töchterleins allerhöchstes Ergötzen
      
 Ist das Spiel mit den eckigen, hölzernen Klötzen!
      
 In allen Abenddämmerungen
      
 Kommt sie mir auf den Schoß gesprungen:
      
 »Bitte, bauen, Papa!« Und Wall und Turm,
      
 Eine Stadt mit Zinnen ersteht im Sturm.
      
 Wenn der Bau sich armhoch im Himmel verliert,
      
 Dann wird ein Erdbeben inszeniert,
      
 Und das Wunderwerk stürzt zusammen, o weh,
      
 Wie Gomorra, Palmyra und Ninive. –
Eines Abends stand stolzprangend da
      
 Ein Weinlaubgang, eine Pergola
      
 Mit einer Loggia lustig und hell,
      
 Getreu nach italien'schem Modell.
      
 Und scherzend sprach ich: Sieh, um diese Streben
      
 Da kann man schlingen Girlanden von Reben,
      
 Dran dunkeln die Beeren in Blätterhecken,
      
 Man braucht nur den Mund nach ihnen zu strecken.
      
 – Da kletterte sie an mir empor,
      
 Halb flüsternd schmiegte sie mir ans Ohr
      
 Ihr Kinderköpfchen goldigflachsen:
      
 »Papa, laß doch mal Trauben wachsen!«
Der Wachtdienst ist so öde,
      
 So klein die Garnison,
      
 Stockprügel gibt's und schnöde
      
 Geknausert wird am Lohn:
      
 Begeisterung muß rosten –
      
 Die Waff am Bandelier,
      
 Steht vor dem Tor auf Posten
      
 Der alte Musketier.
Altfränkisch, zopfig, eckig
      
 Ist seines Kleides Tracht,
      
 Langschößig und buntscheckig
      
 Des Fracks verblaßte Pracht:
      
 Weiß blinkt die Leinenweste,
      
 Schwarz der Gamaschen Paar,
      
 Schwer stülpt der goldbetreßte
      
 Dreimaster sich aufs Haar.
Mit ausgestopfter Wade
      
 Und gipserner Frisur
      
 Stolziert er baumgerade
      
 In steifer Positur:
      
 Er kann sich schier nicht rühren,
      
 Sonst kriegt der Rock 'nen Schlitz – 
      
 Doch so will sich's gebühren
      
 Der braven Stadtmiliz.
Der Torwart liest daneben,
      
 Die Hornbrill' im Gesicht,
      
 Im »Reichspostreuter« eben
      
 Kuriösen Weltbericht;
      
 Sein Weib, das trocknet Wäsche
      
 Am morschen Schilderhaus –
      
 Die gelbe Postkalesche
      
 Humpelt zum Tor hinaus.
Zuweilen gehen Leute
      
 Vorüber zur Allee,
      
 Der Sommertag lockt heute
      
 Aufs Land zum Milchkaffee;
      
 Der Torwart mit der Brille
      
 Ist längstens eingenickt,
      
 Eintönig durch die Stille
      
 Der Schlag der Turmuhr tickt.
Der Posten auf dem Stande
      
 Blinzt auch gar schläfrig schon;
      
 Träumt er vom Vaterlande?
      
 Träumt er von Desertion?
      
 Die Ablösung ersehnend,
      
 Die nicht mehr fern er wähnt,
      
 An die Muskete lehnend
      
 Gähnt er – und gähnt – und gähnt.
Zopf, Puder und Perücke,
      
 Wie lange schon vorbei!
      
 Das Schicksal schlug in Stücke
      
 Die Winkelstaaterei;
      
 Mit ihr die angenehme
      
 Schlafmützig alte Zeit,
      
 Genügsam selbstbequeme
      
 Philisterhaftigkeit!