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Zweiter Teil.
Achtzehntes Jahrhundert.

Friedrich von Hagedorn (1708-1754)

Der Geizige und der Affe.

Ein Geizhals hatte einen Affen. –
Ein Geizhals sein und den sich anzuschaffen,
Das klingt zwar sonderbar, doch war es wohl bedacht:
Gesellschaft kostet Geld, und Menschen können stehlen;
Der Affe trieb bloß seine Possen bis zur Nacht;
Vor ihm braucht er nichts zu verhehlen;
Er konnt im Gelde wühlen und Dukaten zählen,
Der schwatzte nichts, und kurz, er war nach seinem Sinn!

Einst rief der Glockenschlag ihn nach der Kirche hin,
Denn hier dacht er durch Beten und durch Singen
Dem Himmel neuen Segen abzudringen.
Er ließ aus großer Eil das Schreibpult offen stehn,
Wo ihn der Affe hatt im Golde wühlen sehn.
Petz, der den Haufen Gold erblickte
Und den die Langeweile drückte,
Sinnt sich zum Zeitvertreib ein kleines Spielwerk aus:
Er holt ein Geldstück nach dem andern
Und läßt zum Fenster frisch hinaus
Die Louisdor und die Dukaten wandern.

Das war ein Lärmen um das Haus! –
Wer laufen konnte, lief, und bald war ein Gedränge,
So breit die Straße, war der Platz doch viel zu enge.
Ein jeder schrie: »Herr Petz, mir auch ein Stück!«
Man haschte, sprang und fiel; und wem zum guten Glück
Eins in die Hände flog, dem kam es hoch zu stehen. –
Ei, welche Lust, dies Schauspiel anzusehen!
Indessen kam der Geizige zurück.
Er sah den Drang und rief: »Was gibts für Unglück hier?
Mein Geld! – mein Geld! – O weh! es büße mir,
Komm ich hinauf, verruchter Dieb, dein Blut!«
Hier schwieg er; denn ihm schloß die Lippen seine Wut.

»Herr!« sprach ein alter Mann: »Herr, mäßigt eure Hitze!
Das Geld ist euch wie ihm, und ihm wie euch nichts nütze.
Der Affe wirft es weg, und Ihr? – Ihr sperrt es ein!
Wer mag von euch der Klügste sein?«


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