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Jacob Frey (um 1550)

Priamel vom Bauer.

Auch ungelehrter Bauernmund
Gibt manchmal eigne Weisheit kund,
Und bessern Mutterwitz im Kopf
Hat oft ein ungeleckter Tropf,
Als wer nach emsigem Studieren,
Wie man so sagt, mit allen Vieren
Einherkutschiert in stolzem Mut,
Weil er erwarb den Doktorhut.

War da in einem Dorf vor Zeiten
Ein Bauersmann. – Ja, dem Hans Veiten
Fuhr man so leicht nicht an den Wagen,
Stets wußt er sich herauszuschlagen,
Wenn er sich mal das Maul verbrannt,
Und nie wards ihm zu Schimpf und Schand. –

So sprach er einmal, als die Zeit
Der großen Dürre weit und breit
Die Felder zum Erbarmen sengte,
Und Herr und Hüfner glaubensvoll
Den Schritt bergauf zum Kirchlein lenkte,
Damit der Pfarr doch beten soll,
Daß Gott es möchte lassen regnen
Und die verdorrten Äcker segnen –
Da sprach Hans Veit: Nun seid mir still!
Denn ob ihr auch die Haare rauft
Und ins Gebet zum Pfaffen lauft –
Es regnet nur, wenn ich es will!
Und ob der würdige Herr Pfarr
Sich hoher Weisheit auch vermißt,
Ich weiß es doch, er ist ein Narr,
Der dümmer als mein Esel ist!

Ho! das gab böses Blut zur Stunde;
Die einen wähnten ihn im stillen
Mit Satans Majestät im Bunde,
Ders regnen laß nach Veitens Willen.
Der Pfarrer aber klagte wider
Hans Veit, daß durch ein solch Geschrei
Des Priesters Würdigkeit hernieder
Gesetzet und geschändet sei!

Hans Veit, als er vorm Schöffen stund,
Er zuckte mit den Achseln und
Sprach mit verschmitztem Augenzwinken:
Ich hab doch recht, will michs bedünken,
Denn Gottes Will ist auch der meine!
Drum, regne es nun oder scheine
Die Sonne – es geschieht doch nimmer
Ohn Gottes Willen, der auch immer
Der meine bleibt; drum sag ichs wieder:
Wenn ich es will, kommt Regen nieder.

Der Schöffe nach den Bauern sah,
Die standen stumm und blöde da.

Drauf nahm Hans Veit das Wort ad zwei:
Und daß mein Esel klüger sei,
Als unser Pfarr, wollt ihr Beweise?
So hört: es kam mir auf dem Eise
Mein Eselein zu Fall – vor drei,
Vier Jahren – 's ist schon lange her,
Als ich das Tier zur Tränke führte.
Jedoch, was meint ihr? Nimmermehr
Kriegt ich seitdem den Esel wieder,
Ob ich mit Güte ihn traktierte,
Ob mit Gewalt, zum See hernieder,
Sobald ich jenen Weg berührte.
Doch unser Pfarr, der auf den Pfaden
Vom Wirtshaus heim zu Fall oft kam,
Zieht keine Lehre aus dem Schaden,
Und steuert ohne Gram und Scham
Zum Wirtshaus immer wieder hin!
Nun sagt, ob ich berechtigt bin,
Daß ich nach einer solchen Probe
Mehr als den Pfarr, den Esel lobe?

Der Schöffe nach dem Pfarrer sah –
Der aber war schon nicht mehr da ...

(Z.)


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