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Heute sah ich ein Gesicht,
      
 Freudevoll zu deuten:
      
 In dem frühen Pfingstenlicht
      
 Und beim Glockenläuten
      
 Schritten Weiber drei einher,
      
 Feierlich im Gange,
      
 Wäscherinnen fest und schwer
      
 Jede trug 'ne Stange.
Mädchensommerkleider drei
      
 Flaggten von den Stangen,
      
 Schönre Fahnen, stolz und frei,
      
 Als je Krieger schwangen;
      
 Frisch gewaschen und gesteift,
      
 Tadellos gebügelt,
      
 Blau und weiß und rot gestreift,
      
 Wunderbar geflügelt!
Lustig blies der Wind, der Schuft,
      
 Falbeln auf und Büste,
      
 Und mit frischer Morgenluft
      
 Füllten sich die Brüste;
      
 Und ich sang, als ich gesehn
      
 Ferne sie entschweben:
      
 Auf und laßt die Fahnen wehn,
      
 Lustig ist das Leben! 
      
Seht den Schuft am Waldessaum
      
 Mit gewandten Sprüngen fliegend,
      
 Einen jungen Eschenbaum
      
 Auf den breiten Schultern wiegend!
      
 Hat die Axt, die er gestohlen,
      
 Vornen in den Stamm geschwungen,
      
 Weit noch hinter seinen Sohlen
      
 Kommt der Wipfel nachgesprungen.
      
 Wie er heimlich lacht und singt,
      
 Daß das Herz im Leibe springt!
Und die Dirne kommt daher
      
 Mit geschnittnen Weidenruten;
      
 Von der Last, die drückend schwer,
      
 Stehn die Wangen ihr in Gluten.
      
 Und der Bursche wirft die schwere
      
 Bürde beider in den Graben,
      
 Beide springen nach, als wäre
      
 Dort ein Nest voll Glück zu haben.
Wo ein kleiner Freudenquell
      
 Tief im Erlengrunde fließet,
      
 Und die Silberadern hell
      
 Durch das samtne Moor ergießet,
      
 Wirft der schlanke Dieb sich nieder
      
 Mit der Dirn im braunen Arm,
      
 Löst ihr hastig Tuch und Mieder,
      
 Und er flüstert liebewarm,
      
 Daß sein brennend Herz erklingt,
      
 Wie die Nuß im Feuer singt:
Schätzchen, o du kommst mir just,
      
 Daß ich meine Schätze grabe,
      
 Wieder einmal meine Lust
      
 Am verborgnen Reichtum habe!
      
 Zeig mir der Korallen Schein
      
 An dem frischen roten Munde,
      
 Gib mir schnell mein Elfenbein,
      
 All das feingedrehte runde!
      
 Wie der Has im Kohle springt
      
 Ihm das Herz und singt und klingt.
Laß mich wägen all mein Gold,
      
 Deines Haares schwere Güsse!
      
 Laß mich zählen meinen Sold,
      
 Zähle mir einhundert Küsse
      
 Blank und bar auf meine Lippen,
      
 Weil uns kein Verräter lauschet;
      
 Laß mich von dem Weine nippen,
      
 Der mich armen Schelm berauschet!
Nun verhüll' die Herrlichkeit
      
 Mit den Lumpen, mit den Fetzen,
      
 Daß kein Auge ungeweiht
      
 Spähen kann nach meinen Schätzen!
      
 Dieses Tuch um deine Haare
      
 Dreimal, viermal sorglich winde,
      
 Daß die goldne Schimmerware
      
 Ja kein Strahl der Sonne finde.
Gleich ist drauf die Dirn davon
      
 Durch den dunklen Wald gesprungen,
      
 Wieder hat der Bursche schon
      
 Seinen Eschenbaum geschwungen;
      
 Wie die Beine rasch ihn tragen
      
 Mit dem langen schwanken Raube!
      
 Einen grünen Siegeswagen
      
 Schleift die Kron' er nach im Staube.
      
 Wie die Grill' im Grase springt
      
 Ihm das Herz und singt und klingt!