Egon Friedell
Kulturgeschichte des Altertums
Egon Friedell

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Die Makedonen

Zu einer weit bedeutsameren geschichtlichen Rolle war ein anderer nordischer Barbarenstamm bestimmt, von dem es aber eigentlich nicht feststeht, ob er zu den Barbaren zu rechnen sei. Es sind dies die Makedonen. Der Name kommt von μακεδνός, was in der epischen Sprache soviel wie μακρός, groß, hoch, bedeutet. Wenn die Hellenen sie hartnäckig als Barbaren bezeichneten, so meinten sie den Kulturzustand, wie bei den Aitolern, die vollkommen reine Hellenen waren, während die Makedonen allerdings thrakisches Blut aufgenommen hatten. Von ihrer Sprache sind nur ganz dürftige Reste übriggeblieben, denn sie bedienten sich schriftlich nur des Griechischen, auch auf Denkmälern und in Urkunden, und die diplomatischen Noten, die aus der Kanzlei Philipps hervorgingen, wurden sogar wegen ihres feinen Stils besonders gerühmt. Wahrscheinlich war das Makedonische überhaupt nur ein griechischer Dialekt, der aber doch den Hellenen sehr sauer wurde, etwa wie dem Süddeutschen das Platt; die Aspiraten lauteten wie die entsprechenden Medien: Theta wie Delta, Phi wie Beta. Nicht bloß Alexander und Philipp, sondern alle berühmten Makedonen führten griechische Namen, und auch fast alle unberühmten: die gelegentlich erwähnten Offiziere, Soldaten, Boten, Kundschafter, Gattinnen. Die ganze Frage ist vermutlich einfach dahin zu beantworten, daß die Makedonen Urhellenen waren, die in ihren nordischen Sitzen zurückgeblieben waren. Sie waren in jeder Hinsicht zurückgeblieben, indem sie die in ihrer Intensität und Schnelligkeit in der Geschichte einzig dastehende Entwicklung der übrigen Griechen nicht mitgemacht, sondern in vielem die alte Art bewahrt hatten: Nur bei ihnen bestand noch ein machtvolles und kriegerisches Königtum von mykenischem Schnitt, eine Garde von gleichgestellten Genossen, wie sie noch Achill umgibt, und eine Heeresversammlung als politisches Organ, wie wir sie gleichfalls bei Homer antreffen. Die dünne Bevölkerung, meist freie Bauern, kannte noch fast keine 907 Städte; erst König Archelaos, der 413 zur Regierung kam, erbaute Straßen und Festungen, modernisierte das Heerwesen, veranstaltete gymnische Wettspiele und berief griechische Künstler an seinen Hof, darunter keinen geringeren als Zeuxis, der den königlichen Palast mit Fresken schmückte, und Euripides, der in der königlichen Residenz starb; sogar an Sokrates ließ er eine Einladung ergehen, der darüber einige gute Witze gemacht haben dürfte. Archelaos wurde in demselben Jahr wie Sokrates ermordet und vierzig Jahre später gelangte nach mannigfachen Thronwirren Philippos zur Regierung.


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