Egon Friedell
Kulturgeschichte des Altertums
Egon Friedell

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Der Bauer

Das Grab des Ti gewährt uns unter anderm einen kompletten Einblick in einen altägyptischen Gutsbetrieb. Die Feldbestellung war von der heutigen nicht wesentlich verschieden. Der Boden wurde zuerst aufgehackt und dann mit einem hölzernen oder steinernen Pflug, XXX, bearbeitet, der von Ochsen gezogen und von zwei Männern bedient wurde: der eine drückte die Sterzen nieder, der andere trieb die Tiere an. Das Eintreten der Saat erfolgte durch Esel, Schweine und Rinder, die von hinten gedrängt, von vorne mit Futter gelockt wurden: alles unter großem Geschrei. Auch Lieder wurden dabei gesungen. Ein Hirt, der seine Schafe über die nassen Saatfelder treibt und dabei im Wasser waten muß, summt zu ihnen: »Euer Hirt ist im Wasser, da sind viele Fische, er spricht mit dem Wels, er begrüßt auch den Hecht!« Die reifen Ähren wurden mit Sicheln, XXX, deren Schneide mit Feuersteinsplittern besetzt war, gemäht und auf der Tenne von Haustieren ausgedroschen. Dabei gibt es wieder großen Lärm: Ein Esel läuft in der falschen Richtung, einer will überhaupt nicht vorwärts und muß am Vorderbein über die Tenne gezerrt werden. Das Arbeitslied lautet: »Drescht für euch und drescht für euch, Ochsen, drescht für euch! drescht für euch das Stroh zum Futter und das Korn für euren Herrn! gönnt euch keine Ruhe, heute ist's ja kühl.« Die Landwirtschaft war aber nicht bloß mühevoll, sondern 232 auch keineswegs so sorgenlos, wie man nach der einzigartigen Natur des Landes annehmen sollte: »Gedenkst du nicht, wie es dem Ackersmann geht?« heißt es in einer Schrift des Neuen Reiches, »der Wurm hat die Hälfte des Korns geholt und das Nilpferd hat tüchtig gehaust. Mäuse gibt's viel auf dem Felde und die Heuschrecke ist eingefallen. Das Vieh frißt und frißt und die Vögel stehlen – wehe über den Ackersmann! Der Rest, der auf der Tenne liegt, dem machen die Diebe ein Ende.«

Auch die Ernährung des ägyptischen Bauern war der heutigen nicht unähnlich. Eine große Rolle spielten die Hülsenfrüchte. Was die Griechen »ägyptische Bohne« nannten, waren die Fruchtkörner des Lotus, die grün oder getrocknet ein schmackhaftes Gemüse abgaben. Ein beliebtes Gericht war Schrotmehl mit Linsen. Hekataios nennt die Ägypter die »Brotesser«. Die Mühle war ihnen unbekannt. Das Korn, meist Weizen oder Gerste, wurde zwischen zwei Steinen zerrieben und dann im Ofen verbacken. Aus Gerste wurde auch das Bier erzeugt, das den Ägyptern ebenso unentbehrlich war wie das Brot; sogar den Kindern wurde es zur Erfrischung in die Schule gebracht. Es ist heute noch immer oder vielmehr schon wieder Volksgetränk, da es zur Zeit Mohammeds in Ägypten nicht mehr gebraut wurde; daher ist es auch im Koran nicht ausdrücklich verboten. Daneben trank man Milch von Kühen, Schafen, Ziegen, Butter und Käse werden nie erwähnt. Zum Kochen, auch zum Salben und zur Beleuchtung verwendete man Öl von der Rizinusstaude, später von der Sesampflanze, das für das feinere galt. Der Flachsbau ist in Ägypten uralt, und der Bedarf an Leinenzeug, besonders für die sehr oft gewechselten Gewänder und die vielfach gewickelten Mumienbinden, war immer außerordentlich groß. Zur Feuerung diente getrockneter Tiermist, denn das Düngen besorgte ja der Nil und die Holzarmut gestattet kein anderes Material. Diese hat schon frühzeitig zu staatlichen Maßnahmen geführt: Bäume durften 233 nur auf Befehl des Wesirs gefällt werden und der Export war streng verboten. Die wichtigsten Ausfuhrartikel nächst dem nubischen Gold waren in Salz eingepökelte Dörrfische und Glaswaren. Mit dem Glas verhält es sich ähnlich wie mit dem Alphabet: man hielt es lange Zeit für eine Erfindung der Phoiniker, während es diese nur von den Ägyptern übernommen hatten. Spätestens seit der sechsten Dynastie wurde es bereits zu Perlen, Salbgefäßen, Schalen, Bechern, Figürchen verarbeitet; glasierte, »mit Glas gesalbte« Tonwaren gab es schon im vierten Jahrtausend, bunte Kacheln, gelbe, grüne, rote Ziegel während des ganzen Alten Reichs. Durchsichtiges Glas hingegen verwendeten die Ägypter nicht.


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