Egon Friedell
Kulturgeschichte des Altertums
Egon Friedell

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Echnaton

Echnaton (der nach Breasted und Steindorff von 1375 bis 1358, nach Meyer von 1370 bis 1352, nach beiden aber fast genau gleich lang, nämlich zirka 17½ Jahre regierte) ist die erste Persönlichkeit der Weltgeschichte, die greifbar vor uns steht. Alle früheren verschwimmen im Nebel des Mythus oder sind unter dem Prozeß der historischen Verdichtung zu fleischlosen Gattungsbegriffen geworden. Echnaton aber ist unser Bruder, ja fast unser Zeitgenosse: Die Ballade seines Lebens, wie sie durch geheimnisvolle Fernwirkung bis zu uns gelangt ist, ist mit unserem Blute geschrieben. Bei allen seinen Irrtümern und Schwächen war es etwas Ergreifendes, Einmaliges und Denkwürdiges; ein moderner Mensch auf einem uralten Thron. Nur sehr selten im Verlaufe der uns bekannten Geschichte hat sich dieses Schauspiel ereignet: man darf vielleicht an Philipp und seinen Sohn Alexander denken, an Friedrich den Zweiten den Hohenstaufen und Friedrich den Zweiten den Hohenzollern, und mehr als doppelt oder dreimal so lang wird die Liste kaum werden. Fast endlos hingegen würde das Verzeichnis derer ausfallen, die, vom goldenen Stirnreif in einen magischen Kreis gebannt, immer nur Erben geblieben sind und es niemals über sich vermochten, Weiser in die Zukunft zu sein. Das Werk Echnatons ist zergangen, denn es war ja nicht mehr als ein königliches Kartenhaus, eine schimmernde Luftspiegelung am Rande der Wüste; aber sein edler verirrter Geist grüßt uns noch heute.


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