Egon Friedell
Kulturgeschichte des Altertums
Egon Friedell

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Der Luxus

Bei den Mahlzeiten wurde regelmäßiger und ausgiebiger getrunken als früher, auch von Frauen. Über dem Kopf einer Dame stehen die Worte: »Gib mir achtzehn Becher Wein. Siehe, ich wünsche zu trinken bis zur Trunkenheit. Mein Inneres ist so trocken wie Stroh« (wobei es interessant ist, daß sie ihr Quantum schon im voraus so genau weiß). Auch das im vorigen Kapitel erwähnte Bild des weiblichen Gastes, der sich übergibt, stammt aus dem Neuen Reich; die Szene findet, als offenbar etwas ganz Alltägliches, bei den übrigen Anwesenden keinerlei Beachtung. Auf der Tafel, die bisher reichlich, aber nicht übermäßig reichhaltig war, erscheinen allerlei 399 Delikatessen: Gazellenrücken, Straußeneier, Geflügellebern, eingemachte Oliven. Auch ins Feld nahmen die Begüterten Klappstühle, tragbare Rohrtische, komplette Toilettegarnituren und ein wohlassortiertes Weinlager mit. Ein besonderes Luxusobjekt bildeten die Wagen. Sie waren schon zur Zeit Amenophis' des Dritten mit vergoldetem gepreßtem Leder überzogen, die Felgen, Speichen und Naben aus verschiedenen Holzarten gearbeitet (wie dies auch noch heutzutage geschieht) und mit stuckunterlegtem Blattgold verkleidet, die Pferde trugen kostbare Schabracken und Halskragen und auf dem Kopf Büsche aus farbigen Straußenfedern: Diese und ein goldener Sonnenfalke am Ende der Deichsel waren das Abzeichen der Hofequipagen. Am Grabe Tutenchamons waren die Wagenkasten mit Blumenfriesen aus Halbedelsteinen und Fayence verziert, die Scheuklappen, die aus Baumrinde hergestellt waren, mit Einlagen aus Gold und vielfarbigem Glas. Es gab Staatskarossen und leichte Kutschierwagen: Diese waren ohne Sitz, da der Lenker beim Fahren zu stehen pflegte, hinten offen, so daß er leicht auf- und abspringen konnte, und mit einem elastischen Lederboden versehen, der eine Art Federung bildete. Bei größeren Nilreisen wurden sie samt den Pferden auf's Schiff verladen, wie heutzutage die Automobile reicher Leute auf den Dampfer. Die Kavalkade, an deren Spitze Echnaton seinen Hohenpriester Merire besucht, dargestellt in dessen Grabe (offenbar als eines der wichtigsten Ereignisse seines Lebens), erinnert an die Auffahrten der Barockzeit. Der König steht, Szepter und Geißel in der Hand, in seinem Prunkwagen, gezogen von feurigen Hengsten mit roten und blauen Federbüschen, goldenen Geschirren und juwelengeschmückten Decken, vor ihm sieht man zwei Läufer mit Stöcken, die ihm durch die neugierige Menge eine Gasse bahnen, neben ihm seine Leibgarde: Ägypter aller Waffengattungen, bärtige Asiaten, buntgeputzte Neger, Libyer mit geflochtenen Locken, hinter ihm die Wagen der 400 Offiziere, der unvermeidlichen Familie, der Kammerherren mit ihren Wedeln, der Hofdamen; alle bis auf diese, sogar die kleinen Töchter, selbst kutschierend, sämtliche Herrschaften in reines, leuchtendes Weiß gekleidet. Sehr dekorativ war auch der feierliche Aufzug des Königs in der Staatssänfte, einem breiten goldenen Doppelthron auf starken Stangen, die von zahlreichen Würdenträgern getragen wurde; voran schreitet ein Priester, der aus einem Räucherfaß Duftwolken aufsteigen läßt, die übliche Suite ist daneben und dahinter verteilt, Echnaton sitzt diesmal ziemlich gerade, aber Nofretete hat, höchst shocking, den Arm um seine Taille gelegt.

Ob auch der sonderbare »Salbkegel« ein Geschenk Asiens und ob er mehr als eine gelegentliche Modenarrheit war, läßt sich nicht entscheiden. Er war in der Mitte des Kopfes befestigt und aus einer Art fester Pomade geformt, die unter der Hitze allmählich zerging und Haupt und Körper mit Wohlgerüchen überrieselte. Ebenso unaufgeklärt ist die Angelegenheit des »Löwen, der Seine Majestät begleitet«. Zweimal ist nämlich abgebildet, wie ein Löwe neben Ramses dem Zweiten einhergeht. Eduard Meyer erklärt die zweite Darstellung für ein bloßes Relief, das am Wagen angebracht war; indes hat auch Ramses der Dritte diesen seltsamen Adjutanten, was Meyer wieder dahin auslegt, daß dieser König, der seinen großen Vorgänger in allem zu kopieren suchte, damit nur renommiert hat. Aber im Grabe Tutenchamons ist auf einem goldenen Schrein in einer reizenden kleinen Jagdszene geschildert, wie die kindliche Königin, zu Füßen des Königs hockend, ihm einen Pfeil reicht und eine besonders fette Wildente zeigt, und wiederum steht ein junger Löwe daneben. Das kann nicht immer ein bloßes Symbol gewesen sein, und auf einer Jagd wäre es außerdem ein völlig sinnloses. Auch der Kaiser Domitian besaß einen zahmen Löwen, zu dessen Tod ihm der Lyriker Statius in einem Gedicht kondolierte, Caracalla ließ seine Löwen bei sich 401 schlafen und essen, Heliogabal amüsierte sich damit, die seinigen unversehens unter seine Gäste treten zu lassen. Antonius erschien nach der Schlacht bei Pharsalus in Rom mit einem Löwengespann, und noch bei der Erstürmung von Khartum fanden die englischen Truppen vor dem Zelt des Mahdi zwei Löwinnen als Wache. Man wird daher die Sitte der Pharaonen, mit Löwen spazierenzugehen, so wunderlich sie auch der Nachwelt erscheinen mag, doch wohl nicht als ein Ornament des Erzählers, sondern als eine der vielen Extravaganzen einer Kultur ansehen dürfen, die wir uns gar nicht weltstädtisch genug vorstellen können. Denn die Nachbarvölker müssen damals auf Theben und Memphis geblickt haben wie die Menschen der letzten Jahrhunderte auf Rom oder Paris. Die Pylonen, von denen es einmal geradezu heißt, daß sie »den Himmel zu wetzen« scheinen, waren eine Art Wolkenkratzer. Schon zur Zeit Amenophis' des Dritten waren die Pyramiden ein internationales Reiseziel, die Tempel bis hinunter nach Abu Simbel ein gründlich ausgebeutetes Objekt der Fremdenindustrie, die Inschriften der begeisterten Besucher ein wahres Sprachenbabel. Die Verfeinerung der Gartenkunst, stets eine Begleiterscheinung gesteigerter Stadtkultur, erreichte im Neuen Reich einen Gipfelpunkt. Es wurde vorhin an Versailles erinnert, aber in einem Punkte waren die ägyptischen Anlagen wesentlich anders; während die Gärten des Sonnenkönigs im Grunde nur zwei Töne kannten: das stumpfe Grün der Taxushecken und das neutrale Weiß des Marmors, glühte hier die üppigste Palette: glasblaue Kornblumen und klatschroter Mohn, schneeig leuchtende Chrysanthemen neben rosig und azurn schimmernden Lotosblüten, grellbunte Herden von Wiesenpflanzen und noch viele andere Farben in heiterer Symphonie. Dazwischen zogen sich immergrüne heilige Haine, große runde Weinlauben, Alleen von Sykomoren und Palmen in elegantem, wohlklingendem Arrangement. Wie sehr der Ägypter seinen Garten 402 liebte, geht schon daraus hervor, daß er nie vergaß, dessen genauen Grundriß in seinem Grabe aufmalen zu lassen: hiedurch glaubte er die Fähigkeit zu erwerben, sich auch noch nach seinem Ableben dort zu erquicken, und so sieht man denn bisweilen den Ba, die Seele des Toten in Vogelgestalt, auf der heiligen Tamariske sitzen, die vor dem Grabe gepflanzt ist. Was für ein reges Treiben auch im Freien, außerhalb der Stadt herrschte, zeigt ein thebanisches Wandbild aus der Zeit Amenophis' des Zweiten »Beim Barbier«: Einigen Kunden werden die Haare geschnitten, zahlreiche andere sitzen wartend unter Blumen. Der Friseurladen hatte übrigens schon damals einen ähnlichen gesellschaftlichen Charakter wie im Rom der Kaiserzeit, wo er die Neuigkeitenzentrale und eine Art Zeitungsersatz war (auch auf der Basis derselben Wahrheitsliebe); und auch am Euphrat war er die bevorzugte Stätte des Klatsches; eine babylonische Redensart lautete: »Verleumdung am Orte der Salber«, womit man besagen wollte, daß etwas Selbstverständliches passiert sei.


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