Egon Friedell
Kulturgeschichte des Altertums
Egon Friedell

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Haremhab

Auch Eje hat nur kurz regiert, und nun mußte Haremhab (oder Haremheb, bei Manetho: Harmais) sich schließlich sagen, daß die Rettung des zerrütteten Reiches nur möglich sei, wenn er selber die volle Macht ergreife. Armee und Klerus huldigten ihm mit Begeisterung, denn er war für beide der richtige Mann. Mit ihm beginnt die ruhmreiche neunzehnte Dynastie und zugleich eine Ära der vollkommensten Restauration. 371 Breasted, mit dem Steindorff übereinstimmt, rechnet die Zeit Sakeres, Tutenchamons und Ejes von 1358 bis 1350, die Haremhabs von 1350 bis 1315, Meyer setzt die Thronbesteigung Sakeres in das Jahr 1352, den Tod Haremhabs in das Jahr 1310; die Gesamtdauer der vier Regierungen ist also bei allen drei Ansätzen fast die gleiche. Es gelang der Energie Haremhabs in der Tat, Ägypten aus der gefährlichen Krise herauszuarbeiten, die Zentralisierung wieder straffer zu gestalten, das Wirtschaftsleben zu heben und die Nordgrenze, wenn auch wohl kaum ohne Gebietsverluste, von neuem zu ziehen. Besondere Verdienste erwarb er sich um die Reorganisation der vollkommen verrotteten Provinzialverwaltung, indem er Revisoren einsetzte und sowohl diesen wie den Bezirksrichtern Steuerfreiheit verlieh, um sie der Gefahr der bisher allgemein geübten Bestechung möglichst wenig auszusetzen. Die nun wieder ans Ruder gelangte Partei der Reaktion übte natürlich gegen Aton dieselbe Intoleranz, mit der Echnaton den Amon verfolgt hatte, und setzte es sogar durch, daß Haremhab seine Regierungsjahre vom Tode Amenophis' des Dritten zählte. »Wehe dem, der Dich antastet!«, heißt es in einem Hymnus auf Amon, »die Sonne dessen, der Dich nicht kennen wollte, ist untergegangen, aber wer Dich kennt, leuchtet.« Echnatons Reform ist die erste und letzte geblieben, zu Neuerungen, auch weniger kühnen, ist es von nun an nicht mehr gekommen. Erst jetzt wird Ägypten »ägyptisch«: das typische Land des Zurückblickens, des Spinnens in der Vergangenheit, als das es in unserer Vorstellung lebt. Gegenreformationen haben fast immer die Wirkung, daß sie die geistige Kraft eines Volkes brechen. So hat zum Beispiel Österreich in der Barocke noch manche großen Kunstwerke geschaffen, Kunstwerke der Architektur sowohl wie bei der Politik, aber eine große Literatur hat es weder damals noch später zu erzeugen vermocht: keinen einzigen Philosophen und von Dichtern keinen einzigen von europäischem Format; neben 372 Goethe und Schiller vermochte es nur Grillparzer und Raimund zu stellen, neben Kant und Nietzsche niemand. Vielleicht haben aus einem ähnlichen Grund die Ägypter keine weltbedeutende Dichtung und Gedankenprosa entwickelt; denn sie wären nunmehr reif dazu gewesen.


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