Egon Friedell
Kulturgeschichte des Altertums
Egon Friedell

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Hosea

Welch grandiose Umwertung des Weltgefühls des ganzen bisherigen Altertums: der eigene Gott an der Spitze der Feinde, um die Sünde seiner Bekenner zu sühnen, voll Ekel abgewendet von dem Opfer des Tierbluts und nur begierig nach dem Opfer des Herzens! Und doch fehlt Amos zur vollen Religiosität ein letztes: der Glaube an die Gnade. Diesen besessen und entwickelt zu haben, war die Größe Hoseas, des nicht viel jüngeren Zeitgenossen des Amos. Er wirkte etwa ein Menschenalter lang, von 750 bis 720, und wurde Zeuge der inneren Zersetzung des Nordreichs und der schließlichen Katastrophe, die in seinen Schriften wetterleuchtet. Die Prophetie kleidet sich bei 508 ihm auf eine rührende und einzigartige Weise in das Gewand einer persönlichen Konfession. Seine Gattin ist ihm untreu geworden, aber er liebt sie dennoch weiter; und sein privates Schicksal wird ihm zum schmerzlichen und tröstenden Sinnbild des Weltlaufs. So wie ihm sein Weib untreu ist, hurt Israel ab von seinem Gotte; wie er ihr den Scheidebrief schickt, löst Gott seinen Bund mit Israel; aber so wenig wie er kann Gott von dem Gegenstand seiner Liebe lassen. Auch die Strafe fließt aus Jahwes Liebeswillen; und beides, Hoseas Ehe und der Bund mit Israel, wird nach getaner Buße einmal neu geknüpft werden: »Ich habe Wohlgefallen an der Barmherzigkeit«, läßt der Prophet den Herrn sprechen; ein Wort, das der Heiland gegen die Pharisäer wiederholt hat.


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