Egon Friedell
Kulturgeschichte des Altertums
Egon Friedell

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Pindar

Verwandt mit Aischylos ist dessen Zeitgenosse Pindar. Gemeinsam ist beiden die wuchtige Konzentration und orakelhafte Stimmungsgewalt der Sprache, die weltferne Höhenluft der Gedankenwelt, die altertümliche Großartigkeit der 836 Linienführung. All dies ist bei Pindar so stark ins Relief getrieben, daß es bisweilen überspitzt und absichtlich wirkt. Er war Thebaner und feierte die Sportsiege ganz Griechenlands in seinen Epinikien, deren Texte zu einem großen Teile erhalten sind, während seine religiösen Lieder, wahrscheinlich wegen ihres schwierigen Inhalts, allmählich in Vergessenheit gerieten. Seine Schöpfungen waren in ihrer Art ebenso ein »Gesamtkunstwerk« wie die Tragödie, und man kann über sie gar nicht urteilen, da gerade der Reichtum im Ersinnen stets neuer Melodien und Tanzschritte Pindars größten Ruhm bildete. Es hieß, daß ihm bereits als Knaben während des Schlafs Bienen Honigwaben in den Mund gebaut hätten, und er selbst verglich sich dem Adler, die übrige Sängerwelt mit krächzenden Raben. Die Legende läßt sein Leben mit einer pessimistischen Pointe schließen: er fragte den Gott in Delphi, was wohl für den Menschen das Beste sei, und dieser antwortete, indem er ihn in den Armen seines Geliebten sanft entschlafen ließ. In seiner Weltanschauung ist Pindar der typische Vertreter der Vorperserzeit: böotischer Lokalpatriot, Verächter der Demokratie, Verfechter des päderastischen Ritterideals, altreligiös; die Götter sind ihm sittliche Vorbilder der Güte und Treue, Gerechtigkeit und Heiligkeit. Seine Diktion wirkt durch den steifen Pomp und die Überfülle der Bilder, die an Gedankenflucht grenzt, die eigensinnige Vorliebe für Ungewöhnliches und die pausenlose Verwendung des Pedals ermüdend; Horaz verglich sie mit dem Schäumen des regengeschwellten, vom Gebirg herabpolternden Waldstroms. Er galt bereits ein Jahrhundert nach seinem Tode als veraltet; aber Alexander hat bei der Zerstörung Thebens außer den Tempeln nur das Pindarhaus verschonen lassen. Den Alexandrinern imponierte seine (wie jede andere) Manier, den Römern das Herbe, männlich Strenge seiner Kunst: sie nannten ihn princeps lyricorum. Voltaire hingegen spricht von »galimatias pindarique«. Herder und Humboldt haben ihn 837 erschließend, Hölderlin und Platen nachdichtend wiederzuerwecken versucht.


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