Egon Friedell
Kulturgeschichte des Altertums
Egon Friedell

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Die Küche

Die Ägypter waren große Freunde einer guten Mahlzeit; doch scheinen sie im Essen mäßig gewesen zu sein, sonst wären sie doch wohl, trotz ihrer geringen Veranlagung dazu, häufiger fettleibig gewesen. Fast jedes Volk hat seinen Nationalbraten, der im Menü dominiert: bei den alten Römern war es das Schwein (für »gebratene Tauben in den Mund fliegen« sagten sie »cocti porci ambulare«), bei den Türken ist es der Hammel, bei den Franzosen das poulet, bei den Engländern das beef; bei den Ägyptern war es die im Ofen geröstete Gans. Daneben wurde auch viel gekochtes Rindfleisch gegessen; eine feinere Speise war Ochsenstück, in Brotteig gebacken (bœuf à la Wellington). Schaf und Ziege kamen ebenfalls auf den Tisch. Das unreine Schwein sieht man auf den Gemälden nur zum Saateintreten verwendet; man hat es aber sicher auch gegessen, nur hat man sich gehütet, das abzubilden. Wachtel und Taube, beide in Ägypten sehr zahlreich, waren nicht Leckerbissen, sondern Volksnahrungsmittel; hingegen galt der Pelikan, gemästet, als vornehmes Essen. Das Haushuhn war noch unbekannt. Der Nil lieferte Fische in reicher Menge, besonders Welsarten, doch von nicht sehr hervorragender Qualität; sie wurden übrigens in manchen Gegenden (und vielleicht von allen Priestern) als unrein verschmäht: eine der Hieroglyphen des Fisches, XXX, bedeutet »Abscheu«. Jedenfalls galt er zu allen Zeiten in Ägypten 244 als eines der ordinärsten und billigsten Nahrungsmittel. Man verstand ihn so vorzüglich zu konservieren, daß manche Exemplare noch heute so aussehen, als seien sie eben aus dem Wasser gekommen. Das Verfahren war eine Art Kombination aus Einpökelung und Luftabschluß, indem man die Tiere in Salzlake legte und dann mit einer Tonhülle umgab, wozu noch als dritter Faktor das wunderbar trockene Klima kam. Die Biene dürfte im Lande seit undenklichen Zeiten gezüchtet worden sein, denn ihre Hieroglyphe, XXX, ist das älteste Zeichen für »König von Unterägypten«. Die Ägypter waren auch vorzügliche Zuckerbäcker, nur daß ihr Zucker der Honig war: Aus verschiedenen Mehlsorten, Eiern, Feigen, Datteln, Öl komponierten sie die delikatesten Konditorwaren; auch verstanden sie es, Gebäck in Form von Kringeln, Schnecken, Kühen, Löwen, Bratenstücken herzustellen. Wie hoch die Küchenkultur stand, zeigen die Listen, in denen für den Verstorbenen allerlei Gutes erbeten wird: Da finden sich zehn Sorten Fleisch, fünf Sorten Geflügel, sechzehn Sorten Brot und Kuchen, elf Sorten Früchte. Auch vom Bier gab es verschiedene Gattungen: helles, dunkles, schweres, süßes, »Bier vom Hafen« (Importbier). Das nobelste Getränk war der Wein. Die länglichen Trauben, XXX, wurden sorgfältig gepflegt, nach der Lese mit den Füßen ausgetreten und dann noch einmal in einem Tuch ausgepreßt. Der gegorene Saft wurde in Töpfen aufbewahrt, die mit einer Kalkschicht hermetisch verschlossen waren und sowohl Jahrgang wie Weinberg genau verzeichnet trugen; zum Servieren wurde er in Krüge abgefüllt, auf die man eine gestickte Haube stülpte. Man trank aber auch Verschnittweine, Most, Dattelwein und alkoholfreien Traubensaft. Bei Festlichkeiten und Einladungen wurde tüchtig gezecht, aber Gewohnheitstrinker scheinen die Ägypter nicht gewesen zu sein. Ein reizendes Bild aus dem Neuen Reich schildert ein Gelage, das offenbar seinen Höhepunkt schon überschritten hat: Eine Dame weist den 245 angebotenen Wein zurück, aber eine andere übergibt sich bereits, die Dienerin eilt mit der Schale herbei. Der Text ist verwittert, aber er kann nur gelautet haben: »Zu spät.« Wie die jeunesse dorée lebte, zeigen die Mahnworte eines Lehrers an seinen Schüler: »Man sagt mir: du verläßt die Bücher, du gibst dich dem Vergnügen hin. Du gehst von Straße zu Straße, der Biergeruch allabendlich, der Biergeruch scheucht die Menschen von dir, er richtet deine Seele zugrunde. Man trifft dich, wie du auf die Mauern steigst und das Brett zerschlägst, die Leute fliehen vor dir und du schlägst ihnen Wunden. O daß du doch wüßtest, daß der Wein ein Greuel ist und daß du nicht kühle Getränke dir ins Herz setztest!« In der römischen Zeit war Alexandria wegen seines ausschweifenden Vergnügungslebens berüchtigt und seine Wirtshäuser galten für die üppigsten und besten: selbst in den ordinärsten Garküchen bestand die Tagesplatte aus eingemachten Fischen, Schnecken, Linsenpudding und Gekröse.


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