Egon Friedell
Kulturgeschichte des Altertums
Egon Friedell

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Minerale

Der Bergbau wurde in Griechenland schon sehr früh 601 fachmännisch betrieben: alte Weihetäfelchen zeigen bereits, wie nackte Bergarbeiter beim Licht einer Deckenlampe Stufen ins Gestein brechen und in großen Öfen Metalle läutern. Gleichwohl war die Technik, an modernen Arbeitsweisen gemessen, das ganze Altertum hindurch sehr unvollkommen und nur durch die Billigkeit der Sklavenarbeit gewinnbringend. Gold gab es im eigentlichen Griechenland sehr wenig, reichlicher in Thrakien und Kleinasien. Das bedeutendste Silberbergwerk war das berühmte laurische im südlichen Attika, das zwar Staatseigentum, aber an Private in Erbpacht gegeben war, die außer einer einmaligen Kaufsumme jährlich ein Vierundzwanzigstel des Ertrags entrichten mußten; doch stand es nur während des fünften Jahrhunderts in voller Blüte, zur Zeit Xenophons hatte seine Ergiebigkeit schon merklich abgenommen. Größere Kupfergruben gab es nur bei Chalkis auf Euboia (das wahrscheinlich von diesem Metall, chalkos, seinen Namen hat). Eisenerzlager dagegen an vielen Orten, besonders in Lakonien, dessen Helme und Schwerter, Bohrer und Meißel, Äxte und Sicheln auch außerhalb des Peloponnes begehrt waren. Doch hat das Eisen im Altertum niemals annähernd die Rolle gespielt wie in der neueren Zeit; Gußeisen war überhaupt unbekannt. Das Blei hingegen fand bereits eine überraschend mannigfache Verwendung: zu Gewölbeklammern und Wasserleitungsrohren, Kriegsschleudern und Schiffsloten, Büchsen und Urnen, Schreibgerät und Eßgeschirr, ja sogar schon zu falschen Würfeln und Spielsoldaten: Bleivergiftungen scheinen daher nichts Seltenes gewesen zu sein. Das Messing läßt sich erst für die Zeit des absinkenden Altertums mit Sicherheit agnoszieren; bei den früheren Bezeichnungen weiß man nie, ob es sich nicht um eine Verwechslung mit Bronze handelt; auch heute noch werden diese beiden Legierungen sehr oft durcheinandergeworfen.

An Marmor denkt jedermann sofort, wenn man von Griechenland redet. In der Tat ist die ganze Ostseite der Halbinsel 602 sehr reich an diesem Gestein, das sich durch seine Schönheit, Bildsamkeit und Dauerhaftigkeit von Anfang an der künstlerischen Bearbeitung empfahl. Es ist in gewissem Sinne ebenfalls ein Geschöpf der griechischen Sonne, indem diese ihm jenen warmen Ton verlieh, durch den die Bildwerke förmlich zu leben schienen. Die beiden berühmtesten Sorten waren der goldschimmernde pentelische aus den Lagern am Brilessos und der schneeweiße parische, der fast die ganze Insel aufbaut: noch heute werden auf Paros alle Häuser und sogar die Mauern aus Marmor errichtet. Auf Naxos gab es außerdem Schmirgelbrüche, die das vorzüglichste Material zum Schärfen des Eisens und Schneiden der Steine lieferten, weshalb dort zum erstenmal jene Balken und Ziegel aus Marmor erzeugt worden sein sollen, die einen so herrlichen Schmuck aller griechischen Tempel bilden. Das Glas hingegen hat in der griechischen Baukunst nicht die geringste Verwendung gefunden und war in der klassischen Zeit kaum vom Hörensagen bekannt; keinerlei farbiges Getäfel brach das Licht und wehrte dem Wind. Dies ist sehr merkwürdig, da doch bei den nächsten Nachbarn der Griechen, den Ägyptern und Phöniziern, Glasuren der verschiedensten Arten etwas ganz Gewöhnliches waren und auch die Perser bereits aus Gläsern tranken. Man sieht hieran, daß »Kulturberührungen« nicht eine so ausschlaggebende Bedeutung haben, wie gemeinhin angenommen wird. Erfindungen nützen gar nichts, wenn nicht das Interesse dazukommt. Das Glas sagte den Griechen offenbar nichts.


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