Egon Friedell
Kulturgeschichte des Altertums
Egon Friedell

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Die Unterirdischen

Eine eigene Welt bilden die »chthonischen« Götter der Erdtiefe, die bei Homer fast gar keine, bei Hesiod schon eine wesentlich größere und im Volksglauben eine sehr gewichtige 651 Rolle spielen. Demeter, die eigentlich Gemeter, »Mutter Erde« heißt, ist die Patronin des Ackerbaus und ihre Tochter Persephone die Herrin des Todes, meist Kore, die »Jungfrau«, genannt, da man ihren schrecklichen Namen nicht auszusprechen wagte. Auch Dionysos ist ein chthonischer Gott. Am Wochenbett und an der Totenbahre steht Hekate, sonst haust sie zwischen Grabsteinen. Dem Menschen begegnet sie an Kreuzwegen, im Mondschein, in der Mittagsglut, immer zu seinem Schaden. Die Schreckgestalten der Gorgo und Mormo, die Lamia und die schon genannte Empusa, sind ihre Doppelgängerinnen. Oft ist sie von einer richtigen »wilden Jagd« begleitet: feurigen Höllenhunden und der Gespensterschar der unerlösten Seelen, die ohne ehrliches Begräbnis, durch Gewalt oder »vor der Zeit« abgeschieden sind: Einer ihrer vielen Namen, Baubo, äfft tonmalend das Jammergeheul ihrer Meute nach. Sie ist die Stammutter aller Hexen der Welt.

Zu Beginn der historischen Zeit taucht die Leichenverbrennung auf: Sie ist nach Griechenland erst durch die neuen Völkerstämme der ägäischen Wanderung gekommen, die als Halbnomaden auf diese Bestattungsform angewiesen waren. Daneben hat sich der Grabkult der mykenischen Zeit im Mutterland immer erhalten, in geringerem Maße im traditionslosen Kleinasien. In Attika herrschte die schöne Sitte, auf den Erdhügel Getreide zu säen, damit neues Leben den Toten erfreue. Ulmen und Zypressen waren schon damals die ständigen Wächter der Gräber.


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