Egon Friedell
Kulturgeschichte des Altertums
Egon Friedell

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Salomo

Salomo, der um 955 den Thron bestieg, verleugnete von Anfang an nicht, daß er den Listen eines Weibes und eines Priesters das Szepter verdankte. Eine der häßlichsten Szenen im ersten Buch der Könige bildet der Tod Davids: Als dieser vor Absalom floh, hatte Simei, ein Mann aus dem Hause Sauls, ihn mit Steinen beworfen und als Bluthund verflucht, der König aber hatte ihm nach dem Sieg über die Aufständischen verziehen und Gnade geschworen; und nun lauten die letzten Worte Davids an Salomo: »Siehe, du hast bei dir Simei, der mir schändlich fluchte. Da schwur ich ihm bei dem Herrn: Ich will dich nicht töten mit dem Schwert. Du aber wirst wohl wissen, was du mit ihm zu tun hast, auf daß du seine grauen Haare mit Blut hinunter in die Grube bringest.« Dieser Abschied vom Leben mit einer Tat der Perfidie und der Undankbarkeit (denn auch die Ermordung Joabs befiehlt er) paßt gar nicht auf David, wenigstens den historischen, und ist auch tatsächlich erst später eingeschoben worden, um die tückischen Bluttaten an Adonia und seinen Anhängern zu rechtfertigen, mit denen Salomo seine Regierung eröffnete.

Der Tradition gilt Salomo bekanntlich als Urbild der Weisheit. Er war auch wahrscheinlich sehr intelligent und für geistige Dinge interessiert; die Teile der Bibel, die seinen Namen tragen: Sprüche, Prediger und Hohelied, hat er aber ebensowenig verfaßt wie David die Psalmen. Vom späteren Judentum wurde er vor allem als Erbauer des Tempels gefeiert, der aber weniger eine Schöpfung seiner Frömmigkeit als seiner Prunksucht war; auch war dieser, als ein Teil der Akropolis, ebensosehr Zwingburg wie Gotteshaus. Außer den zahlreichen Repräsentationsbauten, bei denen er das Volk zu Frondiensten preßte, errichtete Salomo auch große Wasseranlagen, Magazine für Waffen und Korn und Marställe, in denen er edle Rosse und Kriegswagen hielt. Er war überhaupt ein großer Liebhaber des Pferdesports, für den er auch Hof und Stadt zu gewinnen 447 suchte; trotzdem ist das charakteristische Reittier des Palästinensers immer der Esel geblieben, dessen er sich nicht zu schämen brauchte: Er war ein fast pferdegroßes, elegantes und anmutiges Tier von schöner rötlichgrauer oder bisweilen auch weißer Farbe, die besonders geschätzt war. Er genoß noch in der arabischen Zeit in ganz Vorderasien ein solches Ansehen, daß ein Kalif von Bagdad den Ehrentitel »Esel von Mesopotamien« erhielt.

Salomo versuchte Palästina in den Weltverkehr einzugliedern, indem er Wirtschaftsbeziehungen zum König von Tyros unterhielt und gemeinsam mit diesem nach dem sagenumwobenen Lande Ophir, das die meisten Forscher an die Südküste Arabiens verlegen, eine Flotte sandte, die Gold, Silber, Elfenbein, Pfauen und Affen heimbrachte. Unter ihm kam es auch bereits zur Entwicklung einer gewissen Plutokratie: Die Reichen bauten sich Häuser aus Quadersteinen, aßen täglich Festbraten, tranken Wein wie Wasser und versalbten das beste Öl. Man hat Salomo mit dem Roi Soleil verglichen; er ähnelte aber nicht so sehr diesem als den Duodezfürsten, die Ludwig den Vierzehnten nachahmten: voll Ehrgeiz, es in Bauwut und Prachtliebe, Schöngeisterei und Gottesgnadentum, Handel und Harem seinem Schwiegervater gleichzutun, war er nichts als der geblähte Affe Pharaos. Die Kunstwerke, die in seinem Auftrag geschaffen wurden, standen aber nicht unter ägyptischem, sondern unter phönizischem Einfluß, waren also, da schon die Sidonier völlig unoriginell waren, Kopien zweiten Grades und scheinen sich durch beträchtliche Geschmacklosigkeit ausgezeichnet zu haben. Das berühmte »eherne Meer« war ein riesiges bronzenes Waschbecken, das über siebzigtausend Liter faßte, von zwölf Rindern getragen; die »Keruben«, die im Allerheiligsten standen, waren zwei fünf Meter hohe Holzengel mit ausgebreiteten Flügeln und Vogelköpfen. Solche eherne Meere standen auch, als Abbilder des Himmels, in Babylonien; dorthin weisen auch 448 die Stiere und deren Zwölfzahl. Man sieht, daß das Abbilden von Tieren zur Zeit Salomos noch nicht verboten war; auch sein Thron ruhte auf Löwenfüßen.

Die hohen Steuern, die Fronden und die Verwaltungsmethoden einer aufsässigen Bürokratie erregten Mißstimmung im Volke. Noch unter Salomos Regierung hatte Jerobeam, ein junger Mann aus angesehenem Geschlecht, eine Empörung angezettelt, die aber unterdrückt wurde. Als der König im Jahr 935 starb, folgte ihm sein Sohn Rehabeam; aber die Ältesten konstituierten einen Landtag in Sichem und erklärten, ihn nur zum König zu salben, wenn er verspreche, das Joch leichter zu machen. Dieser aber, von seinen Altersgenossen übel beraten, sprach das berühmte Wort: »Mein Vater hat euch mit Geißeln gezüchtigt, ich werde euch mit Skorpionen züchtigen.« Daraufhin kam es zum Zerfall des Reichs: Jerobeam wurde König von Israel und verlegte seinen Sitz nach Sichem, Rehabeam vermochte sich nur in Jerusalem und Juda zu behaupten. Die alten Gegensätze zwischen Nord und Süd brachen mit Leidenschaft hervor, lange tobte ein Bürgerkrieg, doch nur mit dem Ergebnis, daß das Land geteilt blieb und nie wieder geeinigt wurde. Die ganze später so überschwenglich gepriesene Herrlichkeit hatte neunzig Jahre gedauert, von denen die Hälfte der Vorbereitung und dem Verfall gehört; geschaffen wurde das Reich durch die Energie Sauls, vernichtet durch den Größenwahn Salomos, eine wirkliche Sonnenzeit war nur die Regierung Davids, der, wenn man ihm einen historischen Beinamen geben wollte, der Glückliche genannt werden müßte.


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