Egon Friedell
Kulturgeschichte des Altertums
Egon Friedell

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Fische

Eine solche bildeten auch im weitesten Ausmaß die Fische, 612 die in Massen sowohl frisch verzehrt wie als Pökelware versandt wurden. An ihrer Spitze steht der Thunfisch: Er hatte für die Ägäis dieselbe Bedeutung, wie sie heutzutage der Hering für den Norden besitzt. Er ist aber im Gegensatz zu diesem ein Großfisch, der nicht selten riesenhafte Dimensionen erreicht. Bei Byzanz erschien er bisweilen in so dicht gedrängter Menge, daß man ihn mit der Hand fangen konnte, und die Redensart »Fische nach dem Hellespont« hatte dieselbe Bedeutung wie »Eulen nach Athen« und »Wolle nach Damaskus«. Man erbeutete ihn mit Angel, Netz und Dreizack, der darum auch das Zepter Poseidons ist. Interessant ist es, daß man sie auch durch Glocken anzulocken suchte. Bekanntlich eilen auch die Fische in unseren Teichen auf Klingelzeichen zur Fütterung herbei. Man führt dies auf die Einwirkung der Lufterschütterung zurück, und ebenso pflegt man die Tatsache zu erklären, daß sie bei Schüssen und schrillen Pfiffen zusammenzucken. Aber die Männchen mancher Varietäten geben während der Laichzeit zischende und knurrende, pfeifende und trommelnde Laute von sich, die zweifellos für die Weibchen bestimmt sind. Auch gibt es musizierende Fische, und ein tauber Musiker ist doch wohl nicht gut vorstellbar. Der größte aller Tondichter war es zwar; aber nicht von Geburt. Das ganze Altertum hindurch erhielt sich die Meinung, daß die Fische sehr musikliebend seien, mit großer Hartnäckigkeit. Ihr Labyrinth enthält allerdings kein Gehörorgan. Es ließe sich aber denken, daß ihre Hautsinnesorgane oder ihre sehr empfindlichen Barteln durch akustische Wellen gereizt werden, und dies wäre nichts als ein anders lokalisiertes Hören.

Großen Wert legte man im Altertum auf Fischsaucen. Über die gepriesenste und kostbarste, das Garon, sind wir aber nicht viel klarer informiert als über das Silphion. Es war eine mindestens ebenso große Delikatesse wie der Kaviar, von dem aber die Alten allem Anschein nach nichts wußten, obgleich der Stör 613 bekannt war (der Hausen, von dem der beste Kaviar stammt, nicht); andernfalls hätten sich die Römer auf ihn gestürzt, denn er besitzt alle Eigenschaften, die sie von einer Speise verlangten: er ist teuer, exotisch, appetitreizend und ein Aphrodisiacum. Auch im Garon war Stör enthalten, außerdem Thun und Makrele und wohl noch vieles andere, was Fabrikationsgeheimnis war; vom Rezept weiß man nur so viel, daß die Extraktmasse unter Zusatz von Wein und Gewürzen einer monatelangen Gärung unterworfen wurde. In Pompeji gab es eine große Exportfirma für Garum: A. Umbricius Scaurus & Comp.


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