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345. Ludwig Anzengruber an Franz Lipka

Wr. Neustadt, den 27. Dezember 1860.

Bester Freund!

Da sitz' ich wieder, glücklich angekommen in der Allzeitgetreuen, wo ich von allem Anbeginn schön angekommen bin, und rolle wieder – O ich Unglückseliger – aberscht dem Weisen ist alles Worscht! – ... nach Neujahr hoffe ich von Dir ein Schreiben über mein Stück »Der Onkel ist angekommen« – ist's angenommen – gut – ist's nicht angenommen, sage ich mit Holofernes-Nestroy »nun ist schon gut!« –

Grüße mir alles und lebe glücklich ... und schaffe Dir eine große Portion Geduld an, denn um auf dieser gummielastischen Welt fortzukommen, braucht man entweder Geld, Geld und wieder Geld oder Geduld, Geduld und wieder Geduld! – Ich habe ersteres nicht und zweitere wenig – üble Uebelstände! – Ich fuhr, wie Du weißt, um 2 Uhr weg und kam aber erst um ca. 5 Uhr hier an, woher mag das rühren, offenbar daher, daß der Train langsamer fuhr – meinst nicht auch? – ...

O ich liebe die gute alte Zeit, wo man noch Kniehosen mit Lätzen trug, wo man noch Passionsspiele aufführte, in denen unser Hergott sprach wie ein Mannheimer Schuhflicker, – wo man die Juden massakrierte und die Teufel exorcisierte – wo man des Geistes wenig achte – den Leib jedoch recht wohl bedachte – wo man – wo man – mit einem Worte die Läuse lieber selber fraß, als sich von ihnen fressen ließ! – – In allem übrigen verbleibe ich, – einem baldigen – und dann noch einem Schreiben entgegensehend, – Dein getreuer Freund

Ludwig Anzengruber.

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